Duft aus Blütenkelchen

Die Veranstaltung
Was: Tom Bola 7: Frühling
Wo: Tom Bola, Kirchenweg 8, 8008 Zürich
Wann: 17.10.2013 bis 26.10.2013
Bereich: Bildende Kunst
Der Autor
Christian Felix: Jahrgang 1960, arbeitet seit 2004 selbstständig als Drehbuchautor. Daneben schreibt er Reden, Buchkritiken, Zeitungs-/Magazinartikel, sowie Editorials (www.christianfelix.ch)
Die Kritik
Lektorat: Stefan Schöbi.
Diese Kritik wurde in Auftrag gegeben und bezahlt von: Tom Bola (siehe Unabhängigkeit).
Von Christian Felix, 22.10.2013
Tom Bola. Eine Ausstellung von verschiedenen Künstlern unter dem Leitwort «Frühling». Drei Rauminstallationen und Plastiken, vier Bilder und natürlich eine Videoinstallation (als würde vor jeder Ausstellung gefragt: Und wer macht den Video?). Die Ausstellenden sind fast alle jung, ihre Werke auf künstlerisch hohem Niveau.
Es grünt und keimt
Am meisten stechen die knallgrünen Plastikinstallationen ins Auge, die wie Frühlingspflanzen aus dem grauen Boden dringen (Toni Parpan + Manuel Kämpfer). Frühling verspricht auch der Hase an der Wand (Misha Andris). Wäre er in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gemalt worden, hätte man ihn flugs Picasso zugeschrieben. Anderes ordnet sich weniger offensichtlich dem Leitmotiv unter. Ein Fell vom selben Künstler, das arg fleissig aus hellen Sonnenblumenkernen gefügt ist, legt die Idee des Keimens nahe, ähnlich die Collage dahinter an der Wand (Nicole Michel). Kleinste Papierstreifen explodieren still, in freundlichen Sandtönen.
Politischer Frühling
Ohne alle Werke vollständig aufzählen zu wollen, fällt der Blick auch auf den arabischen Frühling. Eine Demo ist aus kleinsten Papierfiguren auf eine Styroporplatte geheftet. Es ist die Weltdemo, Araber, junge Türken, verzweifelte Russen, Globalisierungsgegner, wackere Antifaschisten, alle halten ihre Transparente in die Luft. Die Kunst ist eindeutig politischer geworden in den letzten Jahren. Das ist unausweichlich, angesichts der täglichen Realsatire draussen. So führt eine witzige, in Frühlingsgrün gehaltene Fotocollage den feministischen Machtanspruch vor (Muda Mathis + Sus Zwick). Der Video macht mit einer Bootsfahrt auf dem Mittelmeer die Stimmung in einem Flüchtlingskutter nachvollziehbar. Hier steht vielleicht der Frühling symbolhaft für die Hoffnung auf das gelobte Land Europa.
Eine beeindruckende Ausstellung, gut gemacht. Indes, hat man solche Ausstellungen nicht schon manchmal gesehen, auch in den Nullerjahren, in den 90ern, in den 80ern? Irgendwie kommt für einen Moment Ratlosigkeit auf und damit sogar Unwille. Der Griff zum Rettungsring: Ein Blick auf die äusseren Bedingungen von Tom Bola am Kirchweg 8. Das Bürogebäude im Zürcher Seefeld wurde in einen Villenpark gepflanzt, als grober Riegel zu einem anderen Park, ein städtebauliches Verbrechen, dem wie immer kein Strafprozess folgte. Der Immobilienspekulant, der daraus grotesk teure Wohnungen machen will, hat es zur Zwischennutzung freigeben, meistens doch auch wieder für Büros, dazu einige Künstler. Imagepflege, kein Lärm, wenig Aufsehen. «Frühling» ist die letzte Ausstellung im ehemaligen Archiv des Bürogebäudes. Dann wird hier umgebaut.
Ein Angsttrieb
Vor diesem Hintergrund gewinnen die Kunstwerke Eindringlichkeit. Diese Wirkung wird noch dadurch verstärkt, dass die Ausstellenden unter einen grösseren Gruppe von Künstlern ausgelost wurden. Jetzt blüht zum letzten Mal künstlerisches Schaffen auf im Raum, fast willkürlich und wild. Die Ausstellung wird so zu einer Bestandesaufnahme vor dem Ende. Sie tastet den Zustand der Ausstellenden und ihrer Arbeit ab, einer Arbeit, die vor dem tödlichen Frost nochmals einen Angsttrieb zeugt, so wie die Natur mit den Herbstzeitlosen, die doch nur kurz blühen. In diesem engen Zeitfenster müssen und wollen sich die Künstler noch einmal ihrer selbst bewusst werden. Das wird besonders augenfällig bei Nils Amadeus Lange. Er will eine Sie sein. Ihr Kunstwerk ist nicht allein die Popart-Installation an der Wand, sondern vor allem sie selbst, auf hochhackigen Plexiglasschuhen und mit knutschroten Lippen. Wer hätte angesichts dessen gedacht, dass sogar das Leitmotiv «Frühling» mit einer Tombola bestimmt wurde. Frühling ist’s, der Sperling pfeift, …