Kampf zwischen ungleichen Gegnern

kulturkritik.ch - Bildmaterial zur Verfügung gestellt

Die Veranstaltung

Was: Oben sitzt ein Affe
Wo: Theater der Künste, Bühne A
Wann: 17.10.2013 bis 18.10.2013
Bereiche: Bildende Kunst, Performance, Theater

Die Autorin

Rafaela Roth: Jahrgang 1987, kultiviert ihre Schreibe an der ZHdK im Masterstudiengang «publizieren & vermitteln», setzt wann immer möglich Kopfkino-Artikel für verschiedene Medien auf und hat einen Bachelor in Kommunikation.

Die Kritik

Lektorat: Anja Wegmann.
Diese Kritik wurde in Auftrag gegeben und bezahlt von: Zürcher Hochschule der Künste (siehe Unabhängigkeit).

Von Rafaela Roth, 20.10.2013

Wie auf einer Modeschau flankiert das Publikum auf der Bühne A der Gessnerallee den Catwalk, wo an diesem Abend Schauspiel und Tanz, also Text und Bewegung gegeneinander antreten sollen. Wer sich auf einen Sieger gefreut hat, wird enttäuscht. Es sind zwei ungleiche Gegner, die da aufeinander treffen. Schauspielerin Rahel Sternberg starrt schon vor Spielbeginn so angriffslustig ins Publikum, dass es kaum jemand aushält, ihrem Blick standzuhalten. Schon gar nicht der Tänzer Frédéric De Carlo, der keine rechte Lust oder den Mut zu haben scheint, sich auf diesen Kampf einzulassen. Vielleicht hat es mit seiner Gegnerin zu tun, die von einem Hund auf dem Kopf begleitet wird, vielleicht ist er auch nicht so wütend wie sie. Schnell wird klar, wieso Wettkämpfer nur in ihren eigenen Kategorien antreten. Die Ausgangslage hier scheint irgendwie ungerecht.

Sei geil, sei gierig, sei gut

Genau das hat Sandra Knecht wohl daran gereizt. Die Masterabsolventin der ZHdK Fine Arts führte Regie und entwickelte das Konzept sowie Choreografien. Sie stellte sich in ihrer Abschlussarbeit die Frage, wie viel in der Kunst geplant werden kann und was dem Zufall überlassen werden muss. Sie nimmt ihr Publikum in der nächsten Stunde mit auf eine fiebertraumartige Reise, auf der Hunde verrückt spielen, Lust und Macht durcheinanderwirbeln und das Rad des Lebens sich doch ständig weiterdreht.

Der Tänzer lässt sich schliesslich auf den Battle ein, windet sich, als wäre sein Körper eine Waffe, zuckt mal roboterhaft, mal lustverzerrt vorwärts und ringt mit der Musik. Doch die Schauspielerin hat den Loop-Sampler im Griff. Sie lässt die Beats immer schneller werden, lässt sie überschlagen, treibt den Körper des Tänzers in den Wahnsinn. Und geniesst es. Rahel Sternbergs Sex Appeal gewinnt. Wir beobachten das Rad des Lebens, den Kampf um Sieg oder Niederlage, um Erfolg oder Misserfolg. Es läuft, es läuft das Rad. Es läuft, wenn wir haben, falls wir alles haben. «Sei geil, sei gierig, sei gut», ruft Rahel Sternberg wie eine Marktschreierin an der Kirmes. Im Gegensatz zum Tänzer hat sie auch noch die verbale Sprache, mit der sie sich ausdrücken kann. Zu «Black Hole Sun» von Soundgarden tänzeln sie umeinander herum: «Black hole sun, won’t you come?
And wash away the rain.» – Vielleicht der Wunsch, das Hamsterrad des Lebens anzuhalten? «Ich bin hier das schönste Tier», weiss die Schauspielerin oder vielleicht flüstert es der Hund in ihr. «I will be the king and you, you will be queen. We can be heroes», zitiert der Tänzer David Bowie, bevor er zugeben muss: «You, you, will be the king.» Es ist nicht unironisch, dieses Stück – wie wir tragischkomischen Helden unseres eigenen Lebens.

Kampf mit ungleichen Waffen

Bevor sie überhaupt richtig gestritten haben, schliessen die zwei Frieden. Sie finden sich in einem Tanz. Man hätte sich mehr Interaktion gewünscht. Man hätte sich gleichwertigere Gegner gewünscht. Doch auf dieser Bühne ist es wie im Leben: Wir sind mit ungleichen Waffen ausgerüstet. Klar ist, dass es sich immer weiter dreht, das Rad des Lebens, wie ein Karussell. Und dass irgendwo oben der Affe sitzt, der es am Laufen hält. Auch Sandra Knecht sass oben und hatte dieses Spiel im Griff. Man hätte bei der Frage nach dem Zufall in der Kunst mehr Improvisation von den Spielern erwartet. Das Spiel schien jedenfalls durchchoreografiert. Rahel Sternberg überzeugte mit ihrem starken Ausdruck, wohingegen der Charakter der Figur des Tänzers etwas unscharf blieb. Der Text von Kristin T. Schnider war durch klingende Alliterationen und starke Parolen geprägt.

Trotz unmöglichem Zweikampf ist «Oben sitzt ein Affe» ein sehr schönes Beispiel dafür, wie viel Sex ganz ohne Nacktheit, wie viel Emotion mit sehr wenig Text und wie Sinnsuche sehr komisch vermittelt werden kann.

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