Karl der Grosse war wirklich gross. Eine Zeitreise ins Mittelalter

kulturkritik.ch - Bildmaterial zur Verfügung gestellt

Die Veranstaltung

Was: Karl der Grosse war wirklich gross. Eine Zeitreise ins Mittelalter
Wo: Landesmuseum Zürich
Wann: 26.10.2013
Bereich: Zürich liest 2013

Zürich liest

Kulturkritik ist am Buchfestival Zürich liest. Wir begleiteten das Festival und berichteten live.

Die Autorin

Nadine Burri: Jahrgang 1981, studierte Germanistik und schreibt an einer Dissertation zu alter Geschichte und Literatur, Redaktionsmitglied des Elfenbeintürmers (Historikermagazin der Universität Zürich)

Die Kritik

Lektorat: Patricia Schmidt.

Von Nadine Burri, 27.10.2013

Karl der Grosse war wirklich gross: genau einen Meter und 92 Zentimeter! Auch war er Herrscher über ein sehr sehr grosses Reich. Oder aber einfach ein Kaiser, der sowieso alles kann und das selbstverständlich besser als alle anderen. So klingt die Einleitung von Barbara Fischer und Priska Senn zum Workshop «Karl der Grosse war wirklich gross!» Spätestens jetzt ist klar, dass die einstündige Lesung zu den Karls-Legenden hauptsächlich für Kinder und Familien veranstaltet wird. Leider wurde diese Information zu wenig deutlich publiziert, weshalb sie unterschiedlichstes Publikum anzog. Der Workshop findet parallel zur Wechselausstellung «Karl der Grosse und die Schweiz» statt. Die Ausstellung bietet vielfältige und interessante Aspekte des mächtigen Kaisers und seiner engen Verbindung zur Schweiz und Zürich, während der Workshop unterhaltsame Geschichten des mächtigen Kaisers im Repertoire hat.

Unerfüllte Erwartungen erfüllt

Unglücklicherweise verlassen bereits die ersten enttäuschten Gäste den Prunksaal Palazzo Pestalozzi des Landesmuseums, in Erwartung einer Lesung für Erwachsene. Die Kinder, die sich auf Kissen sitzend gebannt um die Schauspielerin und die Verantwortliche für Bildung und Vermittlung scharen, kümmert dies wenig. Auch die beiden Damen lassen sich nicht aus der Ruhe bringen. Obwohl nach eigenen Aussagen das Pilotprojekt «Workshop» gerade Premiere feiert, wirken sie wie ein eingespieltes Team und erzählen in einfachen Worten, mit Spannung und Witz von der Biographie des fränkischen Kaisers. Einer seiner Freunde, der Mönch Einhard, habe das dicke Buch verfasst. Auch der Kaiser selbst war sehr belesen, vielseitig interessiert und zählte intelligente Männer wie Astronomen, Mathematiker und Philosophen zu seinen engsten Vertrauten. Die Geschichten werden durch anschauliche Bilder und mittelalterliche Gegenstände aufgelockert, die den Kindern zum Anfassen weitergereicht werden. Interaktive Fragerunden fordern zudem das Mitdenken und Mitspielen der jungen Zuhörer.

Legenden und Mythen

Für die Kleinen wird ein lebhaftes Bild Karls des Grossen gezeichnet. Sie erfahren unter anderem, dass sein blauer Mantel aus dem teuren Stein «Lapislazuli» hergestellt wurde und daher so wertvoll und eines Kaisers würdig war. Neben seiner Leidenschaft für gutes Essen und schöne Frauen erzählen die zwei Veranstalterinnen von Karls Lieblingspfalz in Aachen, in dessen Garten es sogar einen Elefanten zu bestaunen gab – wenn das kein gelungener Weihnachtswunsch wäre. Die Eltern stöhnen auf, die Kleinen bekommen glänzende Augen.
Anhand von Legenden wird Karl der Grosse immer wieder mit Zürich in Verbindung gebracht. Das eine Mal, als er einen riesigen weissen Hirsch vor die Flinte bekam und diesen bis nach Zürich jagte. Dort fiel das magische Tier auf die Knie, ebenso Karls Jagdhunde und Pferde. Der gottesfürchtige Herrscher wusste, es konnte sich hier nur um ein Wunder handeln. Zwei auftauchende Einsiedler erklären dem Franken, dass an diesem Ort einst die Gebeine von Felix und Regula, den Zürcher Stadtpatronen, begraben wurden. Gemäss einer frühmittelalterlichen Legende starben sie zu Zeiten der diokletianischen Christenverfolgungen den Märtyrertod. Als Gedenkort hat Karl an dieser Stelle das Grossmünster erbauen lassen.

Ein heiliger Sünder?

Mit seiner Heiligsprechung durch Friedrich Barbarossa 1165 erfuhr die Karlsverehrung einen Aufschwung und er wurde bis zur Reformation 1519 als dritter Stadtpatron neben Felix und Regula verehrt. Ein Heiliger war er jedoch sicher nicht, sondern ein notorischer Ehebrecher und Vater von 18 Kindern. Vielleicht macht genau diese Diskrepanz zwischen einem Leben in vollem Genuss und dem ständigen Bestreben, den christlichen Glauben zu verteidigen und zu verbreiten, die Faszination Karls des Grossen aus. Wenn auch seine Liebschaften unchristlich waren, so hat er doch auf vielen Gebieten bis heute erhaltene Veränderungen eingeführt. Karl war der erste und einzige Herrscher des Mittelalters, der eine planmässige Bildungspolitik betrieb, die Skriptorien in den Klöstern förderte und verloren gegangenes Wissen aus der Antike wiederbelebte. Denn um ein so immens grosses Reich zusammen zu halten und zu regieren – so erfahren die Kinder – bemühte sich Karl um eine einheitliche Schrift, die der unseren sehr ähnlich ist, gemeinsame Gesetze, Christianisierung bis zu den Sachsen im hohen Norden sowie einem einheitlichen Münzwesen. Das Münzsystem Karls blieb in Teilen der Schweiz bis zur Einführung des Frankens 1850 in Gebrauch. Welche Errungenschaften ebenfalls zu Karl dem Grossen gehören und welche kaiserlichen Spuren in Zürich zu finden sind, zeigt die abwechslungsreiche Ausstellung noch bis zum 2. Februar 2014.

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