Finn-timität

Die Veranstaltung
Was: Jani Nuutinen & Circo Aereo: Un cirque plus juste
Wo: Theater Spektakel, Landiwiese
Wann: 27.08.2012 bis 02.09.2012
Bereiche: Theater, Theater Spektakel 2012
Theater Spektakel
Kulturkritik ist Partner des Theaterspektakels 2012. Wir begleiteten das Festival und berichteten live.
Die Autorin
Fabienne Schmuki: Jahrgang 1983. Absolventin des Masterstudiengangs Kulturvermittlung, «publizieren & vermitteln» an der ZHdK. Co-Geschäftsführung eines Schweizer Independent Musikvertriebs; Promotion & Kommunikation. Freelancerin für diverse Print-/Onlinemedien.
Die Kritik
Lektorat: Elena Ibello.
Diese Kritik wurde in Auftrag gegeben und bezahlt von: Zürcher Theater Spektakel (siehe Unabhängigkeit).
Von Fabienne Schmuki, 29.8.2012
Man glaubt kaum, dass es in diesem Miniatur-Zirkuszelt von zehn Metern Durchmesser Platz für Geheimnisse hat. Der Finne Jani Nuutinen, eine sonderliche Erscheinung mit seinen langen, zotteligen Haaren, dem wild wuchernden Bart und den spitzen Zähnen, scheint aber einen Pakt mit der Geheimniskrämerei geschlossen zu haben. Obschon sich das Publikum 50 Minuten lang wundert, was wohl hinter diesem nordländischen Kobold stecken mag, ist Nuutinens Vorführung ehrlicher und direkter Zirkus in komplett ungeschminkter Form: Hier wird geschwitzt und geschuftet für ein bisschen Aufmerksamkeit.
Waghalsiger Finne
Jani Nuutinens One-Man-Show beginnt zart und leise mit Schattenspielen und tanzenden Teelichtern. Sie endet ebenso zart und leise mit einem selbst gebastelten, übergrossen Mobile, das Schatten von Tierfiguren an die Zeltwand projiziert. Dazwischen aber kann Nuutinen auch ganz laut und brachial werden: Wenn er seine Zuschauer das Fürchten lehrt.
Dieser kleine, kompakte Mann wirft mit bis zu acht Kilogramm schweren Metallkugeln um sich. Er turnt mit zwei Meter langen Holzstangen. Den Besuchern in der dicht besetzten ersten Reihe stockt der Atem. Was, wenn ihm eine Kugel entweicht? Was, wenn er sich in der Distanz verschätzt?
Doch Jani Nuutinen verschätzt sich nicht. Als erster Finne überhaupt schloss er die Ausbildung am Centre National des Arts du Cirque in Châlons-en-Champagne ab. Seither ist er alles in einem: Regisseur, Skriptschreiber, Bühnenbildner, Kostümschneider und Performer. Was auf seine Bühne kommt, hat er entworfen oder gefunden. Wie sein Zirkus auszusehen und zu wirken hat, weiss er bis ins Detail. Totale Kontrolle, der mit echten Schweissperlen gezollt wird.
Atembezaubernd
Magie und Ästhetik, hier ist der Finne Meister. Reichert der Autodidakt seinen Nouveau Cirque schliesslich mit einer Prise Humor an, hat er ihn gefunden, den perfektesten aller Zirkusse. Mit dem ersten Teil der Trilogie, «Un cirque tout juste» im Jahr 2007, begann die Suche nach der künstlerischen Vollendung; mit dem zweiten Teil «Un cirque plus juste» hat Nuutinen sie gefunden. Was auch immer sich hinter Teil drei, «Un cirque juste, juste», verbirgt: Noch besser lässt es sich dem Publikum kaum klar machen, warum Zirkus schon immer fasziniert hat.
Vielleicht liegt es am Magier selbst, vielleicht auch an den französischen Chansons, die seine Kunst begleiten, aber der Zauber, der in der Luft liegt, ist fühlbar. Die Spannung in der Luft wird zu Elektrizität, Zeit und Ort verschmelzen zu einer weiteren Dimension – Staunen und Schrecken schütteln sich die Hand.
Nuutinen und seine kleine runde Bühne. Die Geschichten, die er darauf wortlos erzählt, haben Seele und Geist. Sie mögen zwar sonderlich anmuten, genau wie der Künstler selber auch. Aber für eine knappe Stunde nehmen sie einen mit in ihre riesengrosse Welt der Geheimnisse. Diese findet sogar in diesem kleinen Zirkuszelt Platz. Typisch Jani Nuutinen: Magie pur.