Polit- und Wirtschaftskabarett auf hohem Niveau

Die Veranstaltung
Was: Hans Gerzlich: Bodenhaltung - Käfighaltung - Buchhaltung
Wo: Im Hochhaus, Zürich
Wann: 02.11.2012 bis 03.11.2012
Bereiche: Performance, Theater
Der Autor
Dominik Wolfinger: Dominik Wolfinger ist geboren und aufgewachsen im Fürstentum Liechtenstein. Nach der Sekundarschule schloss er eine Lehre als Chemielaborant ab. Seit 2010 studiert er an der Zürcher Hochschule der Künste Dramaturgie.
Die Kritik
Lektorat: Elena Ibello.
Diese Kritik wurde in Auftrag gegeben vom Migros-Kulturprozent (siehe Unabhängigkeit).
Von Dominik Wolfinger, 3.11.2012
Wie funktioniert eigentlich unsere Wirtschaft?
Mit aufgeschlagener Zeitung, ganz entspannt auf einer Bank sitzend, durchkämmt Hans Gerzlich die Wüsten der deutschen Politiklandschaft und erkundet die Abgründe der Weltwirtschaft. Mehr wie ein Schwätzchen mit einem Fremden in einem Park als wie ein Kabarett, scheint Gerzlichs jüngstes Kabarettprogramm «Bodenhaltung, Käfighaltung, Buchhaltung». Doch Gerzlich hält wenig von Smalltalk; wenn er erzählt, dann unverblümt und pointiert. Im Fokus behält der diplomierte Ökonom sein eigenes Terrain. «Stellen Sie sich vor, ein Fernsehgerät koste statt 800 Franken nur noch 500 Franken – Sie kaufen also zehn Geräte, weil Sie ja dadurch 3000 Franken sparen und fliegen dann mit Ihrem Ersparten in die Ferien.» So funktioniert unsere Wirtschaft. Man kann sich kaum vorstellen, dass der sympathische und spitzzüngige Kabarettist jahrelang im Büro verbrachte.
Wie war das nochmals mit der Politik?
Nicht nur die Wirtschaft kann Gerzlich reflektiert und humorvoll erklären. Auch die deutsche Politik gerät in sein Visier. Dabei reichen die Finger beider Hände nicht aus, um die etlichen Merkel-Anspielungen und Zoten zu zählen, die Gerzlich in seiner zügigen, redseligen Art formuliert. Auch drängt sich mehr und mehr der Wunsch auf, die deutsche Tagesschau öfters zu verfolgen, denn mit dem begrenzten, nationalen Politikwissen schafft man es bei Gerzlich nicht weit. Trotz hohem Unterhaltungswert ist Gerzlichs 100-minütiges Kabarett nicht ohne Anstrengung. Was hat Kohl schon wieder gemacht? Was ist Edmund Stoibers politische Ausrichtung? Und wer ist diese Daniela Katzenberger? Auch wenn Gerzlich einiges Wissen voraussetzt – mit Selbstverständnis, schliesslich handelt es sich um einen Politkabarettisten und nicht um einen Mario Barth – versteht er es doch auch, dem Schweizer Publikum einige Witze zugänglicher zu machen, sogar mit der hohen Kunst, einen Witz mit einem Witz zu erklären.
Der bittere Geschmack
Gegen Ende schlägt aber auch Gerzlich einen schwarzmalerischen, sozialkritischen Ton an. «Alles scheint normal und freundlich und doch ist dieser bittere Geschmack, dass irgendetwas ganz schön schief läuft.» Wo führen uns all die falschen Entscheidungen bloss hin? Hohe Arbeitslosigkeit, steigende Benzinpreise und bankrotte Staaten. Wie die Zukunft aussehen wird, das weiss auch kein Gerzlich. Eindeutig klar ist aber, dass – egal wie sie werden wird –, Gerzlich sie mit gescheitem Humor unmissverständlich kritisieren wird. Zwar mag er die grossen Fussstapfen eines Volker Pispers noch nicht ganz auszufüllen, scheint aber auf dem besten Wege zu sein.