Schriften erzählen Geschichten

Die Veranstaltung
Was: Font Market – Dezemberbücher
Wo: Remise Lagerstrasse 98, Zürich
Wann: 15.12.2012
Bereiche: Design, Literatur
Die Autorin
Gabriele Spiller: Kulturvermittlerin, Journalistin und Autorin: http://gabriele-spiller.jimdo.com
Die Kritik
Lektorat: Moritz Weber.
Von Gabriele Spiller, 16.12.2012
Manchmal sagt ein Buchstabe mehr als tausend Worte. Auf dem Font Market 2012, der Typografie-Messe der Dezemberbücher, fliegen dem Besucher die Buchstaben nur so um die Ohren. Zwischen den Bücherpyramiden in der Remise an der Lagerstrasse 98 stehen kleine Ateliertische. Darauf Buchstaben, Typen – und auch Typen hinter den Tischen. Lieveke op ten Berg von Typotheque ist eine Schriftdesignerin aus den Niederlanden. Am «Greta sans type face system» hat sie fünf Jahre gearbeitet. Entstanden ist ein Schriftsystem, das vor allem mit dem Schnitt der Zeichen spielt, mal schmal, mal schlank, mal fetter. Es sei wichtig, sagt sie, in den verschiedensten Anwendungen dieselbe Schrift benutzen zu können.
Tüftler zwischen Spass und Geschäft
Wenn man sich vor Augen hält, wo einem im Alltag überall Schriften begegnen, wird bewusst, dass es Font Designer braucht, die nicht nur modische Zeichen kreieren. Vielmehr feilen sie lange daran, bis die Buchstaben optimal lesbar und aus verschiedenen Abständen erkennbar sind. Dominique Kerber und Alex Meier vom Atelier für Schriftgestaltung präsentieren zwei eigene Schriften, und auch hier sind die Details entscheidend. «Geometrische Schriften sind konstruiert», erklärt Kerber. «Ihr Ursprung liegt im Bauhaus, sie stammen nicht aus dem geschriebenen Duktus». Im Gegensatz zu humanistischen Schriften basieren sie auf Rastern und werden optisch leicht korrigiert.
Der Font Market hat aber auch Kuriositäten zu bieten. Nicolas Kunz und Michael Flückiger zeigen mit LAIKA die erste dynamische Schrift. Steigt man auf ein Holzbrett, unter dem sich Drucksensoren befinden, werden Gewichtsinformationen an den Computer übermittelt. Die Schrift auf dem Display erscheint entsprechend mager oder fett. Die Schrift reagiere also auf ihre Umwelt, erklärt Kunz. Sie bewege sich in Echtzeit zwischen den Extremen ihres Schnitts. Genauso sind Reaktionen auf akustische Impulse, auf Börsenkurse oder EKG-Messungen während des Schreibens eines Liebesbriefs denkbar.
Rüde, sperrige Buchstaben
Zu den Masterminds des Font Markets zählen auch Emmanuel Rey und Thibault Brevet von b+p swiss typefaces. Brevet hat einen tragbaren Plotter konstruiert, der Schriftideen unmittelbar vom Laptop auf eine grosse Papierwalze überträgt. In nur drei Wochen hat Brevet seine Idee als Bachelor-Arbeit an der ECAL Lausanne realisiert. Sie dient ihm als direktes Ausgabegerät seiner Designideen. Mittels Holzklammer kann er unterschiedliche «Druckköpfe», Filzstifte oder Farbflaschen montieren. Die auf dem Notebook gestaltete Schrift wird sofort auf einem Plakat umgesetzt. Materialkosten seiner Open Source-Eigenkonstruktion: circa 300 Franken.
Auf dieser kompakten Veranstaltung bietet Marcel Indermaur die Papierbibel, einen Musterfächer für Papierqualitäten, an. Philippe Karrer hat ein visuelles Interview mit der Künstlerin Melanie Bonajo grafisch umgesetzt. Michael Kryenbühl zeigt Schriften als Auftragsarbeiten für Bücher; rüde, sperrige Umsetzungen mit irritierenden Elementen, die auf sich aufmerksam machen wollen. Auch der neugierige Laie kann beim Font Market einen kurzweiligen Nachmittag verbringen.