Batman Genesis

Die Veranstaltung
Was: Batman Genesis
Wo: Theater der Künste, Bühne B
Wann: 24.05.2012 bis 02.06.2012
Bereich: Theater
Die Autorin
Colette Kalt: Jahrgang 1959, MAS Cultural Media Studies,Mitarbeit bei verschiedenen Medien. Habe lange Zeit dem Bild den Vorrang gegeben. Verfolge eigene Projekte mittlerweile im Bild- und Wortbereich. Arbeiten auch in der Medienbildung.
Die Kritik
Zu dieser Veranstaltung wurde eine weitere Kritik verfasst.
Lektorat: Tilman Hoffer.
Diese Kritik wurde in Auftrag gegeben und bezahlt von: Zürcher Hochschule der Künste (siehe Unabhängigkeit).
Von Colette Kalt, 3.6.2012
So viel vorneweg: Batman, getrieben von seiner Mission, das Böse aus Gotham City zu tilgen, gibt es so in der Inszenierung von Laura Koerfer nicht zu sehen. Vielmehr bleibt er den ganzen Abend über in den Seilen hängen. Gefangener seiner Ängste, seltsam passiv das Geschehen. Im Verlauf wechselt sein Gesichtsausdruck von Zweifel über Langeweile zu Gleichgültigkeit. Das Trauma um den gewaltsamen Tod der Eltern hat ihn fest im Griff.
Dynamit, Benzin, Schiesspulver
Der Abend beginnt mit einem Witz – und niemand lacht. Der weisse Clown (Yanna Rüger) erzählt ihn und scheint gleichzeitig die Fäden des Geschehens in der Hand zu halten. Dirigiert die Zuschauer auf ihre Plätze, betreibt Konversation, wirbelt über die Bühne und erzählt dabei die Anekdote von diesem Clown, der aus lauter Trauer nicht weiter weiss, zum Arzt geht und auf den Ratschlag des Arztes, er solle doch einen Clown aufsuchen, sagt: «Ich bin doch ein Clown.» Doch kaum sind auch die letzten Zuschauer auf ihren Plätzen, macht Joker (Claudio Gatzke) klar, dass er der Entertainer des Abends ist. Einem TV-Moderator gleich, steht er auf der Bühne und verspricht den Zuschauern ein soziales Experiment, an dem sie teilhaben werden. Er erzählt locker plaudernd etwas aus seinem Leben, gibt dem ganzen einen intimen Rahmen. Mit seinem rosa Haar und den schwarz lackierten Nägeln, dazu diesem leicht irren Ausdruck im Gesicht, erinnert er stellenweise an Jack Nicholson, der im Film von Tim Burton 1989 den Joker gab. Es wundert weiter nicht, dass er eine besondere Vorliebe hat für alles, was knallt und brennt und dazu noch günstig zu erwerben ist. Auf der Bühne, dominiert von Neonröhren und glänzenden Podesten (eingerichtet von Thomas Giger) befinden sich zudem drei Gefangene und eine Rolle. Der Reihe nach befreien sich Two-Face (Mehmet Atesci), Catwoman (Rahel Sternberg) und, aus der Rolle am Boden, Penguin Man (Maximilian Kraus). Er spricht nicht, humpelt gehetzt über die Bretter, um gleich darauf wieder zu verschwinden. Einzig Batman (Urs Humbel) bleibt vorerst an seinem Ort. Die Figuren, die – bis auf den weissen Clown – im Batman-Comic ihren Ursprung haben, sind eingeführt. Zu Beginn wird viel geredet. Joker, und mit ihm der weisse Clown, lassen buchstäblich die Puppen tanzen. Auch wenn der Aufforderung «Mach den Batman» nur zögerlich nachgekommen wird.
Der nackte Mann
Nacktheit im Theater ist etwas, auf das immer wieder gerne zurückgegriffen wird. Noch immer gilt sie als Provokation, obwohl man sich doch mittlerweile an Nacktheit gewöhnt haben sollte, so präsent sie auf Plakaten, in Zeitschriften und den bewegten Bildern ist. Hier ist die Nacktheit klug gewählt. Denn dieser Batman hat ganz einfach Angst und das vor so ziemlich allem. Er kommt nicht über den Tod seiner Eltern hinweg, fürchtet sich vor dem Leben und auch vor Fledermäusen. Um dem Ausdruck zu geben, lässt er erstmal die Hosen runter. Da bleibt nicht viel vom Mythos des gestählten und unerschrockenen Helden oder Mannes übrig. Ist seine Zeit vorbei oder noch nicht gekommen? Gibt es nichts, gegen das er kämpfen kann? Hat das Böse die Welt so fest im Griff, dass selbst er, der es doch radikal ausrotten wollte, resigniert? Ermattet zieht er sich nach diesem kurzen eruptiven Ausbruch zurück und schlüpft freiwillig wieder in die Fesseln.
«Dieses Herumwirbeln von allem, ich halt das nicht aus»
Mit diesen Worten versucht Two-Face in der Folge immer mal wieder das zunehmend wilder werdende Geschehen zu zügeln, selbst macht er aber munter mit. Er präsentiert sich als Romantiker, der an das Gute glaubt, gibt den Hippie, stimmt dazwischen Takte aus einem der Songs des Musicals «Hair» an und strotzt auch sonst nur so von positiver Energie. Er rappelt sich immer wieder auf. Ebenso Catwoman, zunehmend selbstbewusster präsentiert sie sich im Verlaufe des Abends. Die Brille behält sie zwar auf, den High Heels verweigert sie sich, dennoch – Latexkleidung muss es schon sein, nicht mit Öhrchen und Maske wie einst Michelle Pfeiffer, aber als sie sich zum ersten Mal die Gummihaut überstreift, ist ihre Freude gross. Penguin Man lernt sprechen, entlässt seine anfängliche Hilflosigkeit hinter die Bühne und geht, zwar immer noch humpelnd, doch auch er selbstbewusst, von der Bühne ab. Seine letzten Worte «ich bin nicht der Pinguin Man» werden durch den Frack, den er trägt, nicht vollständig entkräftet. Der weisse Clown hat sich leise zurückgezogen, sitzt im dunklen hinteren Teil der Bühne, schaut fern. Immer wieder erinnert der Verlauf an Reality TV. Erweckungsgeschichten wechseln sich ab mit Gemeinschaftserlebnissen und der Aufforderung «Erfindet euch!» – das führt kurzzeitig zum Gruppenrausch, bei dem Joker die Fäden zieht. Doch der zu Beginn des Abends von Batman noch als Psychopath bezeichnete, bleibt schliesslich alleine zurück. Unklar dabei ist, ob er sein Werk vollbringen konnte und Two-Face, Catwoman und Penguin Man soweit manipuliert hat, dass sie zu seinen Gestalten wurden, oder ob sie sich schliesslich ganz einfach gelangweilt abwenden. Batman steigt am Ende radikal und vollständig aus dem Spiel aus, verweigert sich seiner Bühnenfigur.
Was vom Mythos bleibt
Eine verwirrende Fülle von Fragmenten, die Laura Koerfer auf die Bühne bringt: Die Schauspieler streifen mit Lust durch diesen Irrgarten. Teilweise wird das Gezeigte zum Improvisationstheater, die eine oder andere Kürzung hätte dem Abend wohl zu mehr Stringenz verholfen.