Belohntes Sitzleder

Die Veranstaltung

Was: Credo – ein szenischer Gottesbeweis
Wo: Theaterhaus Gessnerallee
Wann: 06.04.2011 bis 17.04.2011
Bereich: Theater

Der Autor

Christian Felix: Jahrgang 1960, arbeitet seit 2004 selbstständig als Drehbuchautor. Daneben schreibt er Reden, Buchkritiken, Zeitungs-/Magazinartikel, sowie Editorials (www.christianfelix.ch)

Die Kritik

Lektorat: Lukas Meyer.
Diese Kritik wurde in Auftrag gegeben und bezahlt von: Theaterhaus Gessnerallee (siehe Unabhängigkeit).

Von Christian Felix, 7.4.2011

Ein müder Applaus am Ende der Aufführung von «Credo». Das Bühnenstück des Ensembles «Plasma» unter der Regie von Lukas Bangerter beschäftigt sich mit dem Glauben an Gott. Ein schwieriges Thema, dementsprechend ein schwieriges Stück. Doch mit dieser Floskel lassen wir es nicht bewenden. Was ist schwierig an «Credo»?

Vor uns ein grauer Baukasten von Bühneneinrichtung, der zunächst eine katholische Betmaschine verkörpert. Das Beten funktioniert nur bei Geldeinwurf. Ja klar, die römische Kirche ist vor allem eine «Cash Cow». Das hat schon Martin Luther erkannt. Religionskritik durchzieht das Stück als zentrales Motiv. Viel Neues vernimmt man nicht. Der Bühnentext legt den Finger auf altbekannte Schwachpunkte des christlichen Gottesglaubens – ohne große Raffinesse. Damit verspielt das Stück fast alle seine Chancen, Humor wirksam in Szene zu setzen.

Als Thema überlebt

Zum Beispiel: Nach katholischem Dogma verwandeln sich Wein und Brot bei der Eucharistie nicht nur symbolisch, sondern tatsächlich in den Leib Christi. Darüber kann man sich Hostien knabbernd lustig machen. Doch es lacht kaum jemand. Als Provokation taugen solche Szenen erst recht nicht. Die Auseinandersetzung um diese Themen hat sich längst überlebt.

«Credo» wirkt beinahe, als entspränge es dem Kulturkampf des 19. Jahrhunderts, oder dann, als sei es für ein US-amerikanisches Publikum geschrieben. In diese Richtung geht die karikiert dargestellte evangelikale Inbrunst. Wohlverstanden, an der Darstellung an sich ist nichts auszusetzen, das Dargestellte indes für uns heute belanglos. Geradezu ermüdend sind die Szenen mit den völlig absurden Gottesbeweisen. Es mag Absicht dahinter stecken, hier Vulgärtheologie als pures Geschwätz zu entlarven. Das Publikum gähnt trotzdem.

Als Performance bravourös

Schade. Denn als Performer und Schauspieler überzeugen die vier Hauptfiguren (Wowo Habdank, Jorgos Margaritis, Andreas Spaniol, Mirjam Zbinden). Man sieht und hört gerne zu, wie sie mit dem Glauben geradezu körperlich ringen, Gospels singen, wie sie auf die spannungsgeladene Musik (Maurice de Martin und Antonio Palesona) reagieren. Ob katholischer Priester, Showprediger oder neurologisches Forschungsobjekt, ihre Rollen spielen sie mit Bravour. Die Performance bekommt definitiv mehr Sterne als der Bühnentext! Der Beginn der Aufführung ist zwar noch verhalten. Zuweilen fallen die einzelnen Versatzstücke, Bilder, Inhalt und Musik etwas auseinander. Doch am Ende steigert sich die Aufführung zu einem wahren Feuerwerk.

Ein Wort noch zum Bühnenbild (Lukas Bangerter): Zunächst fragt man sich, ob es wirklich keine Alternative gibt zu einer abstrakten Mehrzweck-Bühneninstallation, zumal der ständige Umbau viel Aufmerksamkeit absorbiert. Solche Mehrzweck-Bühnen sieht man gar oft. Doch wie die ganze Performance zeigt die Bühnenkonstruktion im Verlauf der Aufführung mehr und mehr, was in ihr steckt. Ein Höhepunkt ist sicher die ästhetisierte Kreuzung eines asiatischen Burschen, ganz im Stil von «Pierre et Gilles», kitschig beleuchtet, dazu eine Osterprozession mit Pauken und Trompeten.

Am Ende nachdenklich

Am Ende steigert sich die Aufführung unter dem Einfluss eines Massenbekehrers bis zum Wahnsinn, zum Vulkanausbruch, zur Erschöpfung. Die Schauspieler taumeln und bleiben am Boden liegen. Dann, in der Stille, überrascht uns «Credo» mit einer einfachen, fast poetischen Erkenntnis. Im verhaltenen Applaus nach diesem Ende liegt daher neben Ermüdung wohl auch eine gewisse Nachdenklichkeit.

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