Ein Freund in dunkler Nacht

Die Veranstaltung
Was: Rahel Hubacher & Heidy Ludewig: Erinnerungsstube und Stofftier-Gedenkviertelstunde
Wo: Theater Spektakel, Haus am See
Wann: 22.08.2011 bis 01.09.2011
Bereiche: Performance, Theater Spektakel 2011
Die Autorin
Gabriele Spiller: Kulturvermittlerin, Journalistin und Autorin: http://gabriele-spiller.jimdo.com
Die Kritik
Lektorat: Lukas Meyer.
Diese Kritik wurde in Auftrag gegeben und bezahlt von: Zürcher Theater Spektakel (siehe Unabhängigkeit).
Von Gabriele Spiller, 23.8.2011
Du sollst für mich da sein.
Ich will dir alles erzählen können.
Du sollst mich so lieben wie ich bin.
Mein Kuscheltier.
92 bunte Plüschtiere, alle mit Namen versehen, warten im Haus am See auf dem Zürcher Theater Spektakel auf ihre Adoptivmutter, ihren Adoptivvater. Interessenten müssen erst einmal einen Fragebogen ausfüllen, in dem sie ihre Motivation glaubhaft darlegen: Bist du fest entschlossen, ein Stofftier zu adoptieren? Wer wird sich darum kümmern? Wie lange ist es am Tag allein? Welche Kuscheltiere hast du bereits?
Rahel Hubacher ist die Mutter dieser Aktion. Sie fotografiert die Adoptiveltern mit ihrem neuen Liebling, und hängt die Bilder samt Steckbrief an den Wänden auf. Auf einem Videoscreen laufen Ausschnitte ihrer Gespräche mit Bewohnerinnen des städtischen Altersheims Pfrundhaus, die ihre plüschigen Zimmergenossen vorstellen. Dabei wird klar: Die Puppen und Tiere haben ein Eigenleben, sie haben Wünsche und Hoffnungen, und ihnen passieren auch mal dumme Sachen. Das Schlimmste, was dem Elefanten passiert ist, war zum Beispiel, von der Heizung mit dem Gesicht genau auf ein Tischchen zu fallen, auf dem noch eine Schale mit Vanillecrème stand!
Anrührende Geschichten
Rund 120 Interviews hat Hubacher inzwischen mit Kuscheltierbesitzern geführt. Sie ist selbst überrascht über die Ernsthaftigkeit, mit der sich Jung und Alt ihrem Seelentröster zuwenden. Das Kuscheltier ist eine Hilfe, um vom Tag in die Nacht zu wechseln, vom Bewussten ins Unbewusste. Die Haptik des Stofftiers, seine langen Ohren oder der Klettverschluss, spielen eine grosse Rolle bei der Beschäftigung mit dem Objekt. Die Menschen berühren sich damit, streicheln sich beim Einschlafen, und sind für einen Augenblick nicht allein.
Erwartungen werden fast keine an den Lebenspartner gestellt: Auch wenn es ein Auge verliert oder Löcher bekommt, werde ich es natürlich bedingungslos weiter lieben, heisst es unisono. Hauptsache, es ist für mich da und beschützt mich. Nur wenige haben differenziertere Wünsche; möchten, dass ihnen das Kuscheltier weise Ratschläge gibt, und am Morgen nicht zu viel redet.
Rahel Hubacher ergänzt ihre Erinnerungsstube montags bis donnerstags um 18.30 Uhr mit einer Erinnerungsviertelstunde. Dabei interviewt sie ihre Performancepartnerin Heidy Ludewig, die eine reife Generation verkörpert, und die junge Livia Bänteli, die über das Projekt «Höramatör» für theaterbegeisterte Menschen mit und ohne Behinderung zu den beiden Schauspielerinnen stiess. Es lohnt sich, noch bis 3. September in die Welt der Kuscheltiere einzutauchen.