Krise!

Die Veranstaltung

Was: Der Klang der Krise
Wo: Cabaret Voltaire, Spiegelgasse 1, Zürich
Wann: 30.03.2011
Bereich: Musik

Die Autorin

Fabienne Schmuki: Jahrgang 1983. Absolventin des Masterstudiengangs Kulturvermittlung, «publizieren & vermitteln» an der ZHdK. Co-Geschäftsführung eines Schweizer Independent Musikvertriebs; Promotion & Kommunikation. Freelancerin für diverse Print-/Onlinemedien.

Die Kritik

Lektorat: Moritz Weber.
Diese Kritik wurde in Auftrag gegeben und bezahlt von: Zürcher Hochschule der Künste (siehe Unabhängigkeit).

Von Fabienne Schmuki, 31.3.2011

Wie klingt die Krise? Unter diesem Titel fand am Mittwochabend eine Veranstaltung statt. «Eine sonifikatorische Katastrophenkunde» liess der Untertitel verlauten. Natürlich war unter diesen Stichworten keine flotte Kammermusik zu erwarten. Doch was sich im Cabaret Voltaire an diesem Abend unter dem Deckmantel «Konzert» abspielte, war schlichtweg eine Katastrophe. Von Kunde keine Spur.

Kreative Neudeutung

Unter dem Namen «Kreative Neudeutung – Vom neuen Umgang mit altem Material» fanden während zwei Tagen Workshops am Institute for Computer Music and Sound Technology in Zürich statt, unter der Leitung der Zürcher Hochschule der Künste. Diese Workshops gliederten sich in zwei Teile: «Neukombination, Remix, Sampling» hiess der erste Tag; «Vom Klang der Daten» der zweite. Der zweite Teil gliederte sich in Werk- und Projektpräsentationen und Vorträge und fand seine Klimax in der öffentlichen Veranstaltung am Abend im Cabaret Voltaire mit dem spannend anmutenden Titel: «Der Klang der Krise».

Workshops mögen ja durchaus ihre Berechtigung haben. Doch die Resultate eines Workshops in einer öffentlichen Veranstaltung festzuhalten, ohne Werkeinführung, ohne Zusammenfassung der Tagung, ohne überhaupt die Mitwirkenden vollständig vorzustellen, das ist eine sehr schlechte Idee. Dass überdies kein Gehörschutz am Eingang abgegeben und über die Dauer der Veranstaltung nicht informiert wurde, sei an dieser Stelle nur am Rande erwähnt. Nun aber mal der Reihe nach.

Die Krise nimmt ihren Lauf

Zu Beginn stellte Thomas Hermann aus Deutschland sein Projekt vor. Der Wissenschaftler vertonte EEG-Ströme und spielte diese dann in bestimmten Intervallen ab. Um aufzuzeigen, was im «Krisenfall» geschieht, verwendete er EEGs einer ruhigen, schlafenden Person und stellte diese denjenigen einer Person gegenüber, die gerade einen epileptischen Anfall erlitt. Ein paar Stichworte auf der Leinwand halfen zur Orientierung. Was man hörte waren metallene Töne in allen Höhen und Tiefen, die sich in verschiedenen Abständen ablösten. Als nächstes vertonte Hermann die Entwicklung eines Staus auf der Autobahn. Das tönte etwa ähnlich. In einem dunklen Raum rund 20 Minuten einem Metallton-Pingpong zuzuhören braucht Nerven. Dabei war dies erst der Anfang.

Samuel van Ransbeeck aus Belgien/Portugal hat die Finanzkrise vertont. Wie klingt der Aktienmarkt? Vor, während und nach der Finanzkrise? Auch hier eine lange Präsentation von Beispielen mit nur wenig Kommentar, schwer greifbar, unverständlich. Immerhin sind die Töne nun perkussionsähnlich. Nach weiteren 20 Minuten wäre etwas Licht und eine Pause wünschenswert gewesen.

Florian Grond aus Österreich/Deutschland präsentierte eine Vorführung mit dem Titel «Security Certificate». Dabei machte er Messdaten von Hochgeschwindigkeitszügen hörbar. Dass er die Effekte dabei selbst generierte, blieb leider bis zum Schluss für den Grossteil des Publikums ein Geheimnis, da der Laptop und der dunkle Raum ein Beobachten von Grond verhinderten. Neben einer Pause wäre auch etwas fürs Auge zu diesem fortgeschrittenen Zeitpunkt durchaus wünschenswert gewesen. Wünsche fanden an diesem Mittwochabend leider kein Gehör – zu dominant wälzte die Krise durch den Saal.

Kein Ende der Krise in Sicht

Vorhang auf für Novi_sad aus Griechenland. Ohne Erklärung, ohne ein Wort, setzte er sich mit dem Rücken zum Publikum vor ein Mischpult und begann, Klänge zu generieren. Im Rücken meinte eine Flüsterstimme: «Jetzt geht die Party erst richtig los.» Dies sollte sich nicht bewahrheiten. In Novi_sads Vorführung «Sirens – The Sound of Economic Downturn» spielte Repetition eine grosse Rolle. Die Fatigue machte sich nach den ersten 20 Minuten im ganzen Saal breit. 20 Minuten später war der vorher halb gefüllte Saal noch zu einem Viertel voll. Die Stimmung war unruhig. Man fühlte sich schlecht. Elend. Krank.

An der Krise zu Grunde gegangen

Auch die Autorin verliess an dieser Stelle, nach rund 50 Minuten Novi_sad, den Saal. Und kehrte nicht mehr dahin zurück. Deshalb bleibt der britische Gitarrist Matt Elliott von der ThirdEyeFoundation in diesem Artikel auch unerwähnt. In Hoffnung, er möge etwas Erleichterung zurück ins Cabaret Voltaire gebracht haben, findet dieser Artikel nun sein Ende. Sang- und Klanglos. Denn nach so viel Krise an diesem Abend brauch ich eines: Ruhe.

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