Wenn die Slipeinlage nur gut sitzt
Die Veranstaltung
Was: Storm Störmer: Worst Case Szenarios
Wo: Theaterhaus Gessnerallee
Wann: 02.03.2010
Bereich: Literatur
Die Autorin
Lorena Simmel: Jahrgang 1988, studiert an der Hochschule der Künste Bern im Studiengang Literarisches Schreiben.
Die Kritik
Lektorat: .
Von Lorena Simmel, 6.3.2010
Dass auf dem Markt erschreckend viel Scheisse kursiert (und zwar im wörtlichen Sinne), haben Storm und Störmer an diesem Abend mehr als bewiesen. Haben Sie zum Beispiel gewusst, dass das Genre des Fäkalien-Rap existiert? Nach gut zweistündiger Lesung hatten dies die Besucher einsehen müssen, wünschten sich nicht endlich gute Musik, sondern ganz einfach: Ruhe. Die Lesung war Gehirnwäsche und das – für meine Ohren – mit viel zu vielen (gefühlten) Dezibel. Das Motto: Es gibt nichts, was es nicht gibt. Cathrin Störmer und Andreas Storm haben vor offenem Laptop auf der Bühne gesessen, haben sich geschämt, mitgegrölt und -gelitten. Als steiler Einstieg sang Jörg Haider (vor Bergkulisse und in Kärntner Männertracht) und spätestens nach der ersten Strophe stand fest: Das, was ich da fühle, ist nicht mehr Mitleid, sondern purer Fremdscham. Und dennoch, eine der Einsichten des Abends und wohl auch des qualvollen Recherchetrips Storm/Störmers: Schlimmer geht es immer.
Wird kuriert das Träumerwesen
Gefolgt wurde Haider von Familie Sasek, pardon, der Vollkommenheit in Personen, starring Ivo Sasek, choreografiebegabt-autoritär-eventuell-kindermisshandelnder Vater und Anni Sasek, schizophren-und-ebenfalls-beeindruckend-ausdrucksstarke Mutter (die von Gott – oder von ihrem Mann, das war nie ganz klar – auch mal gesagt bekommt: „Doch du schlägst mir rein, du scheinst nicht die Vollkommenheit zu sein.“). Daneben, der Grösse nach aufgereiht, die elf Sklaven, auch genannt Kinder, der eben vorgestellten Persönlichkeiten. Die Kinder zeigen in dem vorgestellten Videoausschnitt gleich selbst vor, was „Erziehen mit Vision“ bedeutet, nämlich fegen, waschen und essen, was Mutter mühevoll gekocht hat, so, dass das „Träumerwesen kuriert“ wird und man die Eltern in ihrer „Einheit Ehe“ leben lässt (und sie nicht beim Nicht-Verhüten stört, singt denn Mutter Anni auch halber Überzeugung: „Denn du in mir bist die Vollkommenheit.“)
Boom Bye Bye
Hatte man nach den Saseks bereits genug gehört, gab Storm noch eins drauf und stellte – persönlich betroffen – eine Reihe Lieder schwulenfeindlichen Inhalts vor. Eines aus Jamaika, das zur Feier des Unabhängigkeitstages als Finale performt wurde, und eines von einem Künstler namens Buju Banton, in dem es heisst: „Boom bye bye inna batty bwoy head“, was – gemäss Storm – so viel bedeuten solle, wie: Erschiesst alle Schwulen.
Unter der Gürtellinie ging es weiter mit einer Einführung ins Genre des Fäkalien-Raps, aus dem Titel wie „Der Kot, mein Freund“, „Ich lutsch’ den Tampon leer“ oder genredefinierende Hits wie „Braunes Badewasser“ angespielt wurden. „Zu viel vorhanden“, sei in diesem Genre, „um es zu ignorieren“, beteuerte Storm und das Publikum kam nach den Hörproben leider nicht drum herum, ihm zu glauben. Doch auch von da aus ging es noch tiefer. Von rechtsextremen Bands mit den Namen „Indiziert“, „Die Zillertaler-Türkenjäger“ und „Die Faschistischen Vier“, bei deren Lieder dem Publikum das Lachen irgendwo zwischen Zunge und Brechreiz hängen blieb, litt man sich über den „Peter Handke der Musik“, Xavier Naidoo, zu Ballermann-Musik, deren Protagonisten „DJ Abschleppdienst“ oder „Möhre und Schnitte“ hiessen und „Von hinten Blondine, von vorne Ruine“ und „Reste ficken“ sangen.
Den Abschluss machte der dann doch eher harmlos scheinende Vadar Abraham, mit dem das Publikum und vor allem Storm und Störmer laut einstimmten: „Wenn die Slipeinlage nur gut sitzt, musst du nie mehr ängstlich sein.“ Danke Storm und Störmer, dass ihr Raum schafft, in dem man über leergelutschte Tampons und gut sitzende Slipeinlagen lachen darf.