«Get the fuck over it!» – Ein komischer Männerabend

Die Veranstaltung

Was: Männerabend
Wo: Comedy Bühne Weisser Wind
Wann: 09.10.2010
Bereich: Theater

Die Autorin

Melanie Burkhoff: Jahrgang 1981, ausgebildete Kommunikationsdesignerin, studiert aktuell im Abschlusssemester Master Art-Education, Vertiefung publizieren & vermitteln, an der Zürcher Hochschule der Künste.

Die Kritik

Lektorat: Elena Ibello.

Von Melanie Burkhoff, 12.10.2010

Der arme Tom. Da ist also seine Heidi weg. Ahnungslos kehrt er von einer Geschäftsreise zurück und muss feststellen, Heidi ist mit Giovanni aus Südtirol durchgebrannt. Auch noch ein Italiener! Ja was nun?

Unerträgliches Wehleiden gekoppelt mit witzigen Showeinlagen

Heidis Trennungsgründe werden nun auf der kleinen Bühne des Weissen Windes an diesem fast ausverkauften letzten Abend auf komödiantische Art eruiert. Da lag es wohl auch am zugenommenen Gewicht (die ersten 3 Jahre waren toll… vor allem: Tom war noch schlank). Jetzt zeigt Pit-Arne Pietz alias Tom seinen prallrunden Ranzen, fast als hätte er einen Ballon verschluckt. Das Publikum kennt das Problem der Gewichtszunahme im Laufe langwährender Beziehungen, es lacht.

Mehr als zwei Stunden wird es nun dauern, in denen Tom sehr viel Zeit damit verbringt, Heidi («Mauseschnuffi») auf eine sehr naive, fast schon dümmliche Weise nachzutrauern, was teilweise schon an die Grenzen des Erträglichen geht.

«Get the fuck over it!» denkt man sich und Siegmund Tischendorf spricht es aus. Sein Part an diesem Abend ist es, Tom mit mehr oder minder hilfreichen Ratschlägen zu helfen, die Trennung zu verarbeiten. Und das in Form wechselnder Charaktere, mal als Cowboy, Vater, alter Schulkumpane Jörg, der nun als Berufsalkoholiker in einer Bar lebt, als Doktor Bück mit schafliebenden Patienten oder als schwuler Elvis-Imitator.

Eine gewisse schwer einzuordnende Zerstreutheit

Tischendorfs Charaktere wirken alle auf ihre Weise etwas «abgefuckt», zerstreut bis hin zu verrückt. Dabei ist nicht immer klar, warum gerade dieser Mix allen Figuren zuteil wird. Doch spielt er sie mit genialem Charisma, einer alles durchdringenden, grossartigen Bühnenstimme und überragendem darstellerischen Können. Man hat jedoch den Eindruck, jeder Einzelne hat ein bestimmtes zum Teil schwerwiegendes Alkoholproblem, was verstörend wirkt, bis man am Ende des Abends fast meint, Tischendorf selbst sei etwas angetrunken. Liegt es am titelgebenden Männerabend, wo Alkohol Pflicht ist? Jedenfalls erschliesst es sich einem nicht ganz.

Es kommt gut an

Musikalisch bietet der Abend auch einiges: Pietz & Tischendorf geben Musikstücke von The Kingston Trio und Rantanplan zum Besten, übertreffen sich dann aber mit einem Medley aus den allseits bekannten italienischen Chansons von «Volare» über «Felicità» zu «Una canzone» von Eros Ramazotti. Die Stimmung kocht, das Publikum ist begeistert. Szenenapplaus.

Im Fitnessstudio (der Ballonranzen muss ja irgendwie weg) gibt Tom dann sein Bestes in einer Aerobiceinlage, in der er sich aber als missratener Tänzer entpuppt und wie ein zappelnder, aufgeschreckter Chipmunk aussieht, der seinen Tod ahnend in die Lichter eines heranfahrenden Autos blickt.

Doch nun kommt der eigentlich Höhepunkt des Abends – in Form des von Heidi eigens zu Toms Geburtstag geschickten schwulen Elvis-Imitators. Hier fügt Tischendorf allen abnormen Eigenschaften seiner vorherigen Charaktere eine Prise Feminines bei, was die Mischung auf fulminante Weise perfekt macht. So einen Elvis hat man noch nicht gesehen und als Tom als «blödee Heteee» beschimpft wird, fliessen Lachtränen.

Eigenartiger Alkoholismus und ein Happy End

Am Schluss wird es jedoch ein wenig bizarr, als betrunkener DJ lallt Tischendorf schon fast zu viel, Tom mimt den coolen Mafioso zu Shaggy tanzend und als Nachbar Ulf endet Tischendorfs Reise durch die verschiedensten Männerfiguren mit dem Schwächsten von allen. Mit zerzauster, öliger Friese und den immer wieder auftauchenden knallroten Socken über die Enden der Jogginghose gestopft, fragt man sich schon etwas, was es mit diesem durch den Abend ziehenden Pennerlook auf sich hat.

Doch wendet sich für Tom alles zum Guten und unter einem Regen von silbernen Lamettaschnipseln ereilt ihn die frohe Nachricht: Heidi wird zurückkehren. Tom ist glücklich, das Publikum gleichermassen. Nur ob es auch Heidi sein wird, hinsichtlich der Hinterlassenschaft des Glitzerregens auf dem Wohnzimmerboden? «Das kriegt Sie schon wieder hin!»

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