Theatraler Rütlischwur

Die Veranstaltung

Was: FAR A DAY CAGE: MyState
Wo: Theaterhaus Gessnerallee, Zürich
Wann: 18.05.2010 bis 26.05.2010
Bereich: Theater

Der Autor

Robert Salzer: Jahrgang 1983. Seit 2007 Theater- und Filmkritiken für «students.ch». 2009-2011 Ressortleiter Kultur. Weitere Artikel publizierte er bei «nachtkritik.de», «ensuite», «Akademikerzeitung» und «Stattluft».

Die Kritik

Lektorat: Stefan Schöbi.
Diese Kritik wurde in Auftrag gegeben und bezahlt von: Theaterhaus Gessnerallee (siehe Unabhängigkeit).

Von Robert Salzer, 19.5.2010

Das Fürstentum Sealand ist wohl das bekannteste Beispiel für einen sogenannten Mikrostaat. 1967 wurde auf der mickrigen Seefestung nahe der Küste Englands ein neuer eigenständiger Staat proklamiert. Flagge, Wappen und sogar eine eigene Währung existierten, doch dies scheint nicht zu reichen, um sich zu legitimieren. Denn, wie man an diesem Theaterabend lernt, wird ein Staat nur anerkannt, wenn er von anderen Staaten, die von anerkannten Staaten anerkannt sind, anerkannt wird.

Rudelverhalten der Spezies Mensch

Die Zürcher Theatergruppe «Far a day cage» untersucht in «MyState» die Mechanismen und Tücken der Staatenbildung. Die Versuchsanordnung: Eine Wohngemeinschaft dient als Population und deren Häuschen samt kleinbürgerlichem Vorgarten stellt das zur Verfügung stehende Territorium dar. Wenn auf einer Kuhweide in der Innerschweiz eine Staatsgründung vollzogen werden kann, wieso nicht auch auf kurzgeschnittenem Rasen? Diese Ausgangslage verwendet Regisseur Tomas Schweigen, um in neunzig Minuten verschiedenste Aspekte der Folgen einer Staatsgründung zu zeigen. Von den Gründungsfeierlichkeiten über die Zerschlagung von noch kleineren Staaten bis zur Wegweisung von Einwanderern reicht das Spektrum des Abends.

Unterbrochen werden die Szenen von einem Erzähler, der Wissenswertes rund um das Thema preisgibt und erklärend eingreift. Dies schafft eine gewisse Distanz zwischen Zuschauer und Geschehen und führt dazu, dass man mehr beobachtet als mitfühlt. Es steht zwar kein exotisches Tier vor der Linse, wie im Discoverychannel – aber fast: Vorgeführt wird das sonderbare Rudelverhalten der Spezies Mensch. Dass der Abend fast gänzlich ohne Dialoge auskommt, festigt den Eindruck, dass man einem «Tiertheater» (in Anlehnung an den Tierfilm) zuschaut, das sich auf das Visuelle konzentriert. Wie tierisch der Mensch sich bei der Territoriumsaneignung verhält, zeigt auch die kurze abgespielte Filmsequenz über Ameisenstaaten. Um neben dem Blick aus dem Zuschauerraum Detailaufnahmen zeigen zu können, werden geschickt Handkameras eingesetzt.

Zu fröhlich, zu oberflächlich

Geschmunzelt und gelacht wird häufig an diesem Abend, nicht zuletzt über unser eigenes Verhalten in der und als Gesellschaft. Die Dokumentation kratzt deshalb zum Zwecke der Unterhaltung oft nur an der Oberfläche und immer wenn ein Aspekt interessant wird, springt die Truppe bereits zum nächsten. So kann man schöne Momente nur kurz geniessen, denn gleich wird ein neuer Gedanke eingebracht und unterhaltsam in Szene gesetzt. Die Darsteller können so zwar ihre Spielfreude zeigen, aber das Innenleben und die Beweggründe ihrer Figuren bleiben dem Zuschauer verschlossen.

Wie einfach alles sein könnte, wenn man nämlich statt zu denken, zu gründen und zu herrschen, einfach nur gemeinsam musizieren würde, wird schliesslich vorgeführt: Die Versuchspopulation greift zu den Musikinstrumenten. In verschiedenen Versionen wird «This state is my state!» dargebracht, eine Abwandlung des Ohrwurmes «This Land is your Land». Ernüchterndes Fazit: Lieber miteinander Musik machen als zusammen Staaten gründen!

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