Ein Abendessen mit Freunden
Die Veranstaltung
Was: Abendessen Nr. 8: Mit Haut und Allem
Wo: Fabriktheater, Rote Fabrik
Wann: 23.02.2010
Bereiche: Performance, Theater
Der Autor
Alexander Alon: Studierte Germanistik in Zürich und schreibt für «tachles» und den «aufbau». Zwei seiner Reportagen konnte er überdies im «Denkbilder» (Das Germanistikmagazin der Universität Zürich) platzieren.
Die Kritik
Lektorat: Stefan Schöbi.
Von Alexander Alon, 24.2.2010
Freundlich lud am vergangenen Dienstag das Fabriktheater zum „Abendessen Nr. 8“. Gab es was zu essen? War das Kunst? Hat’s Spass gemacht? Nun, zunächst zu den Rahmenbedingungen: Die „Abendessen“-Serie hat in der Roten Fabrik Tradition. In unregelmässigen Abständen wird hier von jeweils verschiedenen Künstlern eine solche Mahlzeit kuratiert.
Kunst oder Realität?
Im Einklang mit der Fiktion des Abendessens unter Vertrauten werden einige Gäste tatsächlich eingeladen, erhält doch jeder Teilnehmer einen Gutschein, mittels dessen die/der Glückliche einen Platz im nächsten Abendessen auf sicher hat. Ein bestimmtes Kontingent an Karten ist jedoch stets für den freien Verkauf bestimmt. So trafen sich diesmal etwa zwanzig mehr oder weniger bereits im Vorfeld Desillusionierte in der elegant dekorierten Eingangshalle des Fabriktheaters und wurden von den Künstlerinnen Esther Becker und Ingrid Käser strahlend begrüsst. Darf man sich unter Fremden sogleich wohlfühlen und mit den Gastgebern wie mit alten Freunden plaudern? Sich “Mit Haut und Allem”, so der Untertitel des Abends, preisgeben? Die Illusion des Gast-Seins erleichterte die Beantwortung dieser Frage und sorgte, wo nötig, für ein reelles Auffüllen der Weingläser. So prosteten sich die Fremd-Vertrauten schüchtern zu und versuchten zu erraten, was sie wohl erwarten würde. Parfüm und Nervosität lagen in der Luft, als sich der Vorhang zum abgedunkelten Zuschauerraum öffnete.
Ernüchternde Illusion
Rückblickend ist die Spannung, die jedes Gespräch, jeden Blick und jede Wahl des Sitzplatzes begleitete, dem einzelnen Gast zuzuschreiben. Denn abgesehen von einem anfänglichen Rätselraten in kleinen Grüppchen und einem kollektiven Fussbad beim Eintritt gab es keine Fremdbestimmung der Aktivitäten. Die Gäste tummelten sich am vegetarischen Buffet, stippten Karotten in den Quark und bissen hungrig, aber vorsichtig auf eine künstlerische Aktion lauernd, in schmackhafte Karpfen und gefüllte Weinblätter.
„Und womit beschäftigst Du Dich?“ war wohl die meist gehörte Frage des Abends, während im inneren Ohr vielleicht an anderen Fragen gekaut wurde. Ist mein Gespräch Teil eines Spiels? Bin ich Teil einer Inszenierung, wenn ich, auf dem Boden hingefläzt, eine Postkarte schreibe, von einer rotglühend beleuchteten Palme mein Orakel pflücke oder gar nur etwas Bier verschütte? Was wollte mir die Künstlerin sagen, als sie mir versicherte, mein Hochdeutsch sei akzentfrei? Eine sanft verunsichernde Realität spielte am Abendessen Nr. 8, und sie enthüllte sich spätestens dann als Illusion, als sich eine fremd gebliebene Gesprächspartnerin mit einem herzlichen „Bis zum nächsten Mal!“ von mir verabschiedete.