Dekantieren, karaffieren, humorisieren

kulturkritik.ch - Bildmaterial zur Verfügung gestellt

Die Veranstaltung

Was: Thomas C. Breuer: Kabarett Sauvignon
Wo: Im Hochhaus, Limmatplatz
Wann: 23.01.2015
Bereich: Theater

Die Autorin

Fabienne Schmuki: Jahrgang 1983. Absolventin des Masterstudiengangs Kulturvermittlung, «publizieren & vermitteln» an der ZHdK. Co-Geschäftsführung eines Schweizer Independent Musikvertriebs; Promotion & Kommunikation. Freelancerin für diverse Print-/Onlinemedien.

Die Kritik

Lektorat: Carmen Beyer.
Diese Kritik wurde in Auftrag gegeben und bezahlt von: Migros-Kulturprozent (siehe Unabhängigkeit).

Von Fabienne Schmuki, 24.1.2015

Eben noch war er unser bester Freund, schon zeigt er uns seine Zähne: Gewohnt gekonnt changiert der in Rottweil lebende und mit entsprechend bissigem Humor ausgestattete Kabarettist Thomas C. Breuer zwischen Kläger und Richter. In seinem feuerroten Anzug beweist der mit dem Salzburger Stier 2014 ausgezeichnete Wortakrobat Galgenhumor – gewährt seinem Publikum aber kaum Galgenfrist. «Kabarett Sauvignon», Thomas C Breuers aktuelles Programm, nimmt das Publikum auf eine temporeiche Reise ins Land der Weine. Und Breuer kennt sie alle: Den Blauburgunder, den Chianti, den Lampedusa.

Ein edler Tropfen Witz

Man könnte Thomas C. Breuer vorwerfen, er hätte es sich nicht allzu schwierig gemacht, da Wein sich einfach anbietet für einen Abend mit hohem Unterhaltungswert. Es erstaunt also kein bisschen, dass der Kabarettist dem gefüllten Saal im Migros Hochhaus am Limmatplatz ohne Umschweife reinen Wein einschenkt: Von edlen Tropfen, so Breuer, habe er eigentlich überhaupt keine Ahnung. Aber wozu auch, wenn man den historischen Überbau recherchieren kann.

Breuer referiert vor spärlichem Bühnenbild (zwei kleine Flaggen am Rednerpult) über das historische Fundament von Wein in diversen geographischen Breitenlagen. Dabei streift er den nahen Osten ebenso wie unsere Nachbarländer, die Politik ebenso wie die Religion (die Bedeutung der Mess-Latte in Zusammenhang mit Messwein-Missbrauch katholischer Geistlicher), die Anonymen Alkoholiker ebenso wie James Dean, Gérard Depardieu oder Brangelina. Und wir lernen: Was aus dem Tetrapack kommt, ist in Wahrheit aus dem Château Carton, ein Alkoholtest ist besser nicht mit der Weinprobe zu verwechseln und der Alt-68er Roberto Blanco überzeugt nicht zuletzt dank seiner herrlichen Fruchtblase.

Schweizer, Deutsche und alles drum herum

Selbstverständlich lässt es sich der Moderator des monatlichen Satiremagazins «PET» auf SRF 1 nicht nehmen, seine Spezialität auszukosten: Der Schweizerkenner lässt sein Publikum in Zürich nicht ungeschoren davonkommen. Und so lassen wir uns über die Alcopop-Initiative aufklären, über unsere Autobahnvinaigretten und die Deutsche Tunnelbohrmaschine «Sissi», die gar nicht in der Schweiz bleiben wolle, sondern nur schnell durch und unten am Gotthard wieder raus.

Das neue Programm von Thomas C. Breuer überzeugt nicht immer in puncto Stringenz: Nach der Pause folgt ein kleiner Durchhänger und allgemein dünkt einen der wortgewaltige Kabarettist an diesem Freitag nicht immer in Höchstform. Dieser Eindruck wird dadurch verstärkt, dass Breuer vieles abzulesen scheint. Doch dies wird dem Wortakrobaten spätestens in der zweiten Hälfte nach der Pause verziehen, denn dann holt der gross gewachsene Thüringer nochmals richtig aus und driftet vom Wein ab in die Welt der Ess-Kuriositäten, der Fructose-Intoleranz und der tierischen Konsequenz von Veganern. Koffeinfreier Kaffee mit Sojamilch und Stevia kommentiert Breuer als «Safer Sex im Mokka-Tässchen», statt Ferien auf der Insel Tofu hätte er lieber ein Stück Crystal-Mett und sein Motto lautet sowieso: «Think globally, drink locally!»

Breuer kratzt die Kurve immer

Zwei-, dreimal muss man sich schon auf die Unterlippe beissen, weil Breuer verdammt knapp der Grenze zwischen Humor und Ethik entlang balanciert, etwa wenn er Nass-Rasierer für die ISIS-Kämpfer einfordert. Doch im letzten Moment gelingt es ihm stets das Steuer wieder herum zu reissen. In diesen Augenblicken, denkt man fast erleichtert daran, was Breuer schon zu Beginn des Abends sagte: «Das kann ja Heida werden!» Wie Recht er damit behalten sollte.

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