Rock’ n ’Roll Mission für wen?

kulturkritik.ch - Bildmaterial zur Verfügung gestellt

Die Veranstaltung

Was: papst&co: Stadtmusikanten
Wo: Theater Spektakel, Süd
Wann: 18.08.2014 bis 20.08.2014
Bereiche: Theater, Theater Spektakel 2014

Theater Spektakel

Kulturkritik ist Partner des Theater Spektakels 2014. Wir begleiteten das Festival und berichteten live.

Die Autorin

Esther Becker: Nach einem Theaterstudium an der Zürcher Hochschule der Künste und der Hochschule der Künste Bern studiert Esther Becker momentan literarisches Schreiben am Schweizerischen Literaturinstitut in Biel. Sie arbeitet als freie Autorin und Performerin (www.bignotwendigkeit.de) und schreibt regelmässig für die Fabrikzeitung der Roten Fabirk Zürich.

Die Kritik

Lektorat: Tabea Buri.

Von Esther Becker, 25.8.2014

Die als theatrales Konzert angekündigte Arbeit «Stadtmusikanten» der Zürcher Gruppe papst&co ist eher als dokumentarischer Theaterabend einzuordnen, dessen ProtagonistInnen drei MusikerInnen und eine singende Schauspielerin sind, die ausserdem noch malt. Oder sind es vielmehr ein Schreiner, ein Velokurier, eine Rhythmiklehrerin und eine Kellnerin? Damit verdienen sie zumindest ihr Geld. Schon ist man mittendrin, in der Frage nach Beruf und Berufung.

Für die Dauer der Vorstellung jedenfalls sind sie vier Darsteller, die quasi sich selbst spielen, und dazu ihre Instrumente. Sie berichten von ihren Ausbildungen, ihren Bands, ihren Brotjobs. Von geplatzten Träumen, Umorientierungen, dem Auskommen mit wenig Geld. Dieses Wechselbad von Höhenflügen (Konzerte in grossen Stadien, Vorsprechen am Deutschen Theater) und Abstürzen (Tod eines Bandmitglieds, Ausbleiben des Erfolgs) im Leben der «Rock’ n’ Roll Mission» wird charmant lakonisch ins Mikrofon gesprochen, hier und da mit einem Schattenspiel oder einer choreografischen Einlage illustriert. Und, natürlich, mit Musik. Auch werden zu Beginn immer wieder Sätze des titelgebenden Märchens der Bremer Stadtmusikanten eingespielt, welches der Produktion Pate gestanden hat.

 Zum Wiedererkennen

Zunächst findet das alles hinter einer Art Wand aus wabenartig zusammengesetzten Bühnenbildelementen statt, die (wie zu erwarten) im Verlauf des Abends peu à peu abgebaut wird und den Blick auf die Instrumente freigibt, die (wie zu erwarten) immer mehr zum Einsatz kommen, bis alle Darsteller in Bandformation zusammen musizieren. Die Anekdoten der DarstellerInnen sind mal mehr und mal weniger interessant. Manche rühren, manche bringen zum Lachen, Selbstironie ist genug vorhanden. Den Lachern und Kommentare des Premierenpublikums nach zu urteilen schien sich der Grossteil in den Geschichten wiedererkennen zu können. Beispielsweise die Schwierigkeiten mit Hierarchien („als politisch denkender Mensch kann ich mich nicht so unterordnen“), die Erkenntnis im Supermarkt ein «elitäres Arschloch» zu sein, weil man sich selbst zu fein ist, hinter der Kasse zu sitzen, oder die Utopie von einem Haus in der Natur, mit einem Raum zum Malen und Tanzen.

Ein paar wenige Zuschauer allerdings haben die Vorstellung frühzeitig verlassen. Nachvollziehbarerweise. Nicht weil das Stück zu experimentell, zu provokativ, zu laut oder zu langweilig gewesen wäre, denn das war es ja alles nicht. Bloss drohte der Abend in seiner selbstreferenziellen, lokalen Anekdotenhaftigkeit gefangen zu bleiben. Die anfangs gesetzte Parallele zum Märchen der Stadtmusikanten löste sich nicht ein. Sie hatte, ausser vielleicht ein wenig dramaturgischer Struktur, keine ersichtlichen Konsequenzen für das Bühnengeschehen und wurde zum Ende hin nicht mehr weiterverfolgt. Wer im Zuschauerraum nicht selbst Musik-, Kultur- oder Theaterschaffende tätig ist oder war, wurde nicht angesprochen. Wer sich nicht am Wiedererkennungseffekt erfreuen konnte, dem blieb nicht viel übrig um anzuknüpfen.

Am Ende rockt es dann doch noch

Es lohnt sich dennoch, geblieben zu sein: Wenn die DarstellerInnen als Band richtig loslegen und in Nina Hagen Manier einen Jandl Text vertonten («…ein faulsein ist nicht rühren keinen finger…») womit den zwar charmanten, aber nicht immer besonders dichten O-Ton-artigen Text Collagen geballte Lyrik entgegentritt, lässt der Abend das Selbstreferenzielle hinter sich. Er gewinnt an Raum, weist und wächst endlich über sich hinaus. Die Musik, das gemeinsame Musikmachen, darf nun für sich selbst sprechen. Auch sind die ProtagonistInnen so erfrischend authentisch, dass man ihnen trotz der gewissen Vorhersehbarkeit des Abends gerne zuschaut. Die Hartnäckigkeit, mit der sie ihren Traum verfolgen, die in ihren Geschichten immer wieder auftaucht, kommt ihnen zugute; dieses Immer-wieder-von-vorne-anfangen findet auch auf der Bühne statt: Sie geben nicht auf, spielen sich frei, und am Ende rockt es dann doch noch.

nächste Aufführungen 3.–5. September 2014 Helsinkiklub Zürich

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