Ohne Gottes Gnade

Die Veranstaltung
Was: Tore tanzt
Wo: Zurich Film Festival, Corso 2
Wann: 02.10.2013 bis 05.10.2013
Bereiche: Film+Fotografie, Zurich Film Festival 2013
Zurich Film Festival
Kulturkritik ist am Zurich Film Festival 2013. Wir begleiteten das Festival und berichteten live.
Die Autorin
Eva Hediger: Eva Hediger, Jahrgang 1989. Bachelor in Journalismus, Studentin des Masterstudiengangs Kulturvermittlung, «publizieren & vermitteln» an der ZHdK.
Die Kritik
Lektorat: Tilman Hoffer.
Von Eva Hediger, 25.10.2013
Tore tanzt – der Titel klingt nach Spass und lauen Sommernächten. Doch es ist eine traurige Geschichte, die Katrin Gebbe erzählt. «Mir ist ein Artikel aufgefallen, der mich mehr berührt hat als andere Zeitungsartikel. Es war eine Geschichte über einen Jungen, der von einer Familie versklavt wurde. Und zur gleichen Zeit hatte ich einen Roman gelesen: Dostojewskis Idiot», gibt die Regisseur als Inspiration für den Film an.
Es ist ein Film über Tore, der nicht fähig oder willens ist, sich zur Wehr zu setzen. Er betet viel. Er dankt für sein Essen, hofft auf göttliche Weisungen. Der Gläubige gehört zu den «Jesus Freaks», einer alternativen Sekte. Deren Anhänger tragen nietenbesetzte Lederjacken und legen ihren Glauben locker aus. Als der strikte Tore realisiert, dass sich nicht alle an die sexuelle Abstinenz halten, türmt er. Unterschlupft findet er bei der Familie von Benno. Tore hat erst kürzlich Bekanntschaft mit dem stämmigen Mann geschlossen. Trotzdem darf er im Schrebergarten bleiben. Dort übersommert Benno mit seiner Frau und den zwei Kindern. Tore lebt mit den Vier zusammen, freundet sich mit der Tochter an und hilft im Garten. Er ist glücklich.
Beten gegen das Böse
Doch die sommerliche Idylle trügt. Die Gastfreundschaft, das Familienglück, gar der Sonnenschein verkommt zur hinterhältigen Lüge. Die Bösartigkeit des Vaters brodelt immer mehr. Benno wird zum Teufel, der Familie und Freund quält. Er ertränkt die Katze, würgt die Tochter, schlägt Tore blutig. Doch sein kranker Charakter giert nach mehr. Die kontinuierliche Steigerung der Gewalt bannt. Fast untragbar glaubwürdig sind die Figuren. Eine fast überspitze, gar unterhaltsamen Verherrlichung des Bösen nach Hollywood bleibt Tore tanzt fern. Die Schocker sitzen, die Glaubwürdigkeit bleibt. Die Erkenntnis, dass es für Tore kein Entrinnen gibt, kommt deshalb so spät wie klar. Einige Zuschauer verlassen den Kinosaal. Den Hinweis «Nach einer wahren Begebenheit» erschüttert sie nicht mehr.