Verachtete Liebe

kulturkritik.ch - Bildmaterial zur Verfügung gestellt

Die Veranstaltung

Was: Plynace Wiezowce
Wo: Zurich Film Festival, Corso 2
Wann: 04.10.2013
Bereiche: Film+Fotografie, Zurich Film Festival 2013

Zurich Film Festival

Kulturkritik ist am Zurich Film Festival 2013. Wir begleiteten das Festival und berichteten live.

Die Autorin

Antonia Steger: Jahrgang 1988, studiert Germanistik und Kulturanalyse im Master, arbeitet daneben im Ausstellungsbereich (Kommunikation/Redaktion).

Die Kritik

Lektorat: Tilman Hoffer.

Von Antonia Steger, 28.10.2013

Der polnische Leistungsschwimmer Kuba  ist ein Macho. Er hat neben seinem Training nicht viel anderes zu tun als sich mit seiner hübschen Freundin Sylwia im Bett zu vergnügen und ab und zu seiner Mutter den Rücken zu massieren. Doch eine Begegnung mit Michael verändert sein Leben: Kuba und Michael verlieben sich. Darauf beginnt eine Liebesgeschichte, deren Spannung ihresgleichen weit suchen muss.

Floating Skyscrapers (Płynące wieżowce) erzählt mit einfachsten Mitteln von der Leidenschaft zweier Männer vor dem repressiven Konservativismus Polens. Der junge Regisseur Tomasz Wasilewski zieht seinen zweiten Spielfilm nicht als anklagendes Anti-Homophobie-Pamphlet auf, sondern entschied sich für Nüchternheit und gegen schwülstige Dialoge oder kitschige Einstellungen. Mit trocken-harten Schnitten und langen Einstellungen entwickelt sich ein Film, dem man seine vielschichtigen emotionalen Ebenen abnehmen und glauben mag, ja, die einen regelrechten Bann auslösen. Die Handkamera erzeugt eine fast dokumentarische Echtheit des Geschehens, sodass die erotischen Spannungen und sexuellen Szenen stellenweise sehr nahe gehen, wenn nicht vereinzelt gar zu provozieren vermögen.

Komik im Detail

Tomasz Wasilewski beweist in diesem Film ein sicheres Gespür für seine Erzählkunst. Grossartig ist beispielsweise die Szene, in der Kuba (Mateusz Banasiuk), Michael (Bartosz Gelner) und Sylwia (Marta Nieradkiewicz) zusammen am Abendtisch sitzen und minutenlang kein Wort über die Lippen bringen. Die emotionale Spannung ist förmlich mit Händen zu greifen. Da fällt Michael ein Stück Essen aus dem Mund, das er dezent vom Boden aufhebt und am Tellerrand abstreift. Solche winzigen Details durchziehen den Film und lockern das schwere Thema bis hin zur Komik auf.

Das Schauspielertrio ist schlicht brillant. Ungekünstelt spielt es  das komplexe Liebesgefüge in einer solchen Natürlichkeit, dass zwischendurch das Thema der Homosexualität zur Nebensache wird. Es entspinnt sich eine universelle Liebesgeschichte jenseits von Geschlechterzuschreibungen. Für die LGBT-Szene mag man sich noch manche solche Liebesgeschichte wünschen, bei der die sexuelle Einstellung so selbstverständlich gelebt wird. Tomasz Wasilewski  bagatellisiert bei all dem das Thema keinesfalls – die konservative Enge Polens ist latent drohend spürbar, und der Filmschluss ist Schocker genug.

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