A Weng

Die Veranstaltung
Was: Mia Pittroff: Mein Laminat, die Sabine und ich
Wo: Im Hochhaus, Limmatplatz
Wann: 24.05.2013 bis 25.05.2013
Bereich: Theater
Der Autor
Christian Felix: Jahrgang 1960, arbeitet seit 2004 selbstständig als Drehbuchautor. Daneben schreibt er Reden, Buchkritiken, Zeitungs-/Magazinartikel, sowie Editorials (www.christianfelix.ch)
Die Kritik
Lektorat: Patricia Schmidt.
Diese Kritik wurde in Auftrag gegeben vom Migros-Kulturprozent (siehe Unabhängigkeit).
Von Christian Felix, 25.5.2013
Nein, der Titel ist nicht chinesisch. Er kommt aus dem Land wo «Hosen Hosen haassen, und Hasen Hosen». Aller klar? Hoffentlich nicht. A weng Unklarheit ist nämlich das Geheimrezept der Kabarettistin Mia Pittroff. Sie ist zwar eine Sprechkünstlerin und artikuliert klar wie eine ausgebildete Schauspielerin, spielt virtuos mit der Stimme, fügt wirkungsvoll ihre Sprechpausen ein; unklar bleibt bei ihr jedoch immer, wo der Ernst aufhört und der Witz beginnt. Oder umgekehrt. Nur schon ihre Kleidung, genauer ihr Jupe… kommt er aus dem Schickimicki-Second-Hand, hat ihn eine dieser besten Freundinnen genäht, oder ist es Mia Ernst mit dem Teil? Sie stellt sich vor das Publikum und wirkt wie eine beflissene Junglehrerin, erklärt geduldig, bewegt sich leicht spastisch dazu. Ihre Mutter habe die Choreographie entworfen, sagt sie entschuldigend.
Katzenhafter Humor
Mia Pittroff ist eine wohlerzogene junge Dame. Man getraut sich gar nicht so zu lachen. Man fühlt sich gedrängt, die Lacher zu unterdrücken, als wären es…., so dass sie zwischendurch umso lauter und peinlicher aus den Kehlen heraus wiehern. Schwer zu erklären warum. Mia wird nie vulgär, aber a weng schon. Sie ist selten boshaft, aber a weng schon. Sie ist nicht pietätlos, aber a weng schon. Elegant schleift sie über Messers Schneide zwischen billig und bieder, zwischen dreckig und steril. Sie hat Samtpfoten mit Krallen. Dies verleiht ihrem Auftritt eine durchgehende Spannung. Dabei behält Mia stets ihre Konzentration und Kraft, und wirkt, als sei ein solches Bühnenprogramm so leicht zu durchlaufen wie ein Plauderstündchen.
Erst mit der Zeit wird klar, was Mia Pittroff von vielen ihrer Berufskollegen unterscheidet. Sie erheitert, ohne irgendwelche notorisch bekannte Pinsel zu parodieren, ohne Faxen zu schneiden, ohne Witze vom Leder zu reissen. Sie plaudert mit dem Publikum, erzählt, verwendet kleine Running Gags (die Mutter!), überrascht mit ihrer Mimik und singt wunderschön: Lieder mit komischem Text, Lieder, die den Schlager auf die Schippe nehmen, Lieder zum mitsingen. Ja, man glaubt es nicht, das Publikum steigt voll darauf ein! Sie singt auch in Anlehnung an Marlene Dietrich «I brauch a richtiga Maa!», doch mit der Trennung, die ihr bevorsteht, ist nur die Entsorgung des Laminats in ihrer Wohnung gemeint.
Pointen mit Zeitzünder
Um die Katze doch aus dem Sack zu lassen: Mia (hochdeutsch Wir) spricht Fränkisch. Das ist nicht Herz erbrechend scheusslich Sächsisch, auch nicht bäuerisch Bayrisch, klingt aber in vielen Ohren ganz, ganz hinterwäldlerisch. Dabei lebt Mia, wie sie sagt, längst schon in Berlin. Auch dieser Kontrast wird spürbar im Programm, und die Vorstellung, dass sie mit ihrem Zungenschlag in einem Berliner Trendcafé ihren «Latte» bestellt, löst einen dieser Lacher aus, die unkontrolliert aus einem herausbrechen. Dabei hasst Mia ja den besagten Milchkaffee, oder wenigstens Männer, die Milchkaffee trinken, und überhaupt alle diese eben noch angesagten Dinge. Ganz trendig auf Antitrend machend, schnödet sie über facebook, i-phone, eingedeutschtes Global English, junge Leute mit Sonnenbrillen und damit über den lieben Zeitgeist.
Dies alles geschieht mit Pointen, die sich leise einschleichen. So merkt man eigentlich erst nach der Vorstellung zu Hause, dass man sich selten so amüsiert hat wie bei Mia Pittroffs Programm «Mein Laminat, die Sabine und ich». Der Kabarettistin gelingt etwas Seltenes und Wunderbares. Während man sich bei den meisten Kabarett-Stücken immer a weng der plumpen Witze schämt, über die man eben noch gelacht hat, erlaubt es Mia dem Zuschauer, sein Gesicht zu wahren.