Die Kunst der Freundschaft

kulturkritik.ch - Bildmaterial zur Verfügung gestellt

Die Veranstaltung

Was: «Kunst»
Wo: Theater Winterthur
Wann: 08.01.2013 bis 10.01.2013
Bereich: Theater

Die Autorin

Elena Ibello: 1982 geboren, seit 2003 freie Journalistin. Im Master-Studium Art Education, publizieren&vermitteln, an der ZHdK.

Die Kritik

Lektorat: Patricia Schmidt.

Von Elena Ibello, 9.1.2013

Yasmina Rezas Riesenerfolg «Kunst» handle von der Definitionsfrage der Kunst, von der Verblendung der Kunstrezipienten und von der Dreistigkeit des Kunstmarktes, so die scheinbar landläufige Meinung. Aber das ist vermutlich nur ein Nebengleis. Die Geschichte, die in der Komödie «Kunst» erzählt wird, handelt vielmehr von Freundschaft. Von der Schwierigkeit, langjährige Beziehungen zu pflegen, Freundschaften aufrecht zu erhalten und den neugierigen Blick auf das Gegenüber nicht zu verlieren, es immer wieder in neuem Licht zu erkennen und diesen eigenen Blick nicht von den längst gemalten Bildern im Kopf bestimmen zu lassen.

Wie viel Uneinigkeit verträgt eine Freundschaft?

Thomas Goritzki hat mit seiner Inszenierung von «Kunst» diesen Aspekt deutlich herausgearbeitet. Und das ist eine Wohltat. Am Theater Heidelberg hat Goritzki mit «Kunst» Ende Dezember 2011 Premiere gefeiert und das Ensemble kam nun mit dem Stück erstmals in die Schweiz. Im Theater Winterthur debattierten, stritten und intrigierten die drei Freunde Serge, Marc und Yvan vordergründig über ein Gemälde – und faktisch über ihre Freundschaft.

Serge (Stefan Reck) hat sich für viel Geld ein Bild gekauft, das nichts als weisse Querstreifen auf weissem Hintergrund zeigt. Sein Freund Marc (Olaf Weissenberg) ist empört, ja tief erschüttert über diese Tatsache und fragt sich, was denn er und sein Freund nun noch gemein hätten. Yvan (Steffen Gangloff) findet Marcs neueste Errungenschaft zwar irrwitzig, aber er sagt sich: Wenn es ihm gefällt und er es sich leisten kann, soll er doch seine Freude daran haben. Ist das Toleranz? Oder Gleichgültigkeit?
Von seinem Freund Marc wird Yvan jedenfalls als charakterloser, hybrider, schlaffer Mensch bezeichnet (und das ist erst der Anfang) und erhält dazu noch die Zustimmung von Serge. Dieser wiederum fühlt sich von Marc nicht ernst genommen, er sei selbstgefällig, herablassend und rücksichtslos. Zu Yvan sagt er einmal: «Sieh ein, dass Marc am Absterben ist. Denn Marc stirbt ab.» Die Differenzen, Streitereien, Wortklaubereien und gegenseitigen Vorwürfe steigern sich im Laufe des Stücks ins Absurde und am Ende scheint es, die Freundschaft zwischen den dreien sei ein einziger Scherbenhaufen. Weil Serge ein Vermögen für ein weisses Bild ausgegeben hat.

Grandioses Ergebnis ohne Überraschungen

Das Theater Heidelberg hat mit soliden Zutaten ein grandioses Ergebnis erzielt. Das Stück, das an verschiedensten Theatern ungezählte Male umgesetzt wurde, muss sich längst nicht mehr beweisen und bietet eine handfeste Grundlage. Die drei Schauspieler, die die markanten Figuren verkörpern, haben offensichtlich beinahe alles auf dem Kasten: Vom grössten Klamauk bis zum wuchtigsten Drama spielen sie alles mit scheinbarer Leichtigkeit und Inbrunst gleichzeitig. Es wird gepoltert, gewimmert, geflüstert, geweint, gekämpft und herzhaft gelacht auf der Bühne – und das alles in verhältnismässig kurzer Zeit. Hinzu kommen eine Inszenierung, die nah am Werk bleibt, aber jedem einzelnen Wort eine eigene Lebenskraft gibt und ein Bühnenbild, das nicht zu viel und nicht zu wenig will. Damit die Vermengung dieser Elemente zu einem Misserfolg würde, müsste schon einiges schief laufen. Und so kommt ordentlich auf seine Rechnung, wer sich dieses Gastspiel nicht entgehen lässt.

Freilich ist aber aufgrund dieser Ausgangslage nicht mit grossen Überraschungen zu rechnen. Abgesehen von einigen schönen nonverbalen, teils etwas gar klamaukigen Spielereien zwischen den Freunden ist wenig Unerwartetes zu sehen.

Weiterlesen: