Kein Schlamassel

Die Veranstaltung
Was: Karim Slama - Welsch ein Slamassel
Wo: Im Hochhaus, Limmatplatz
Wann: 15.03.2013 bis 16.03.2013
Bereiche: Performance, Theater
Der Autor
Nicolas Bollinger: Jahrgang 1984. Schreibt für das Bieler Tagblatt. Studierte Philosophie und Germanistik an der Universität Bern und derzeit Journalismus am MAZ Luzern und an der Henri-Nannen-Schule in Hamburg.
Die Kritik
Lektorat: Fabienne Schmuki.
Diese Kritik wurde in Auftrag gegeben vom Migros-Kulturprozent (siehe Unabhängigkeit).
Von Nicolas Bollinger, 17.3.2013
Um es gleich vorwegzunehmen: Es ist keine Komik der Worte, die dem Publikum auf der Kleinkunstbühne des Migros-Kulturprozent an diesem Abend präsentiert wurde. Vielmehr ist es ein Humor der Gesten, der Mimik, des Körpers – und darauf versteht sich der Lausanner Humorist Karim Slama meisterhaft wie kaum ein Zweiter.
Überbordender Einfallsreichtum
Dank einer schier unglaublichen Körperbeherrschung und eines unbestechlichen Rhythmusgefühls gelingt es Slama, das Absurde und Skurrile in jeder scheinbar noch so banalen Alltagssituation zum Vorschein zu bringen. Das dominante Stilmittel ist dabei zweifellos die Überzeichnung: Jede Geste, jede Gesichtsregung wird übertrieben und bis zur Absurdität gesteigert und driftet oft in puren Slapstick über. Wichtigstes Hilfsmittel dafür ist eine ab Band eingespielte Soundpalette, bestehend aus Geräuschen, Tönen, Stimmen, Dialogen und Musik, mit welcher Salam jede Körperbewegung in Übereinstimmung bringt.
Das Repertoire an Situationen, die auf diese Art und Weise das Publikum belustigen, könnte umfassender kaum sein: Sei es die Arbeitswelt (eine Baustelle, ein Verkehrspolizist, ein Skilift), die Freizeit (ein verkrampfter Radfahrer, ein Boxer, der erbarmungslos mit Schlägen traktiert wird, oder ein Fitnessjunkie, der sich im Kraftraum abmüht) oder die Familie (den Kindern das Skifahren beibringen, Vater werden) – es gibt kaum einen Lebensbereich, den Slama dank seines überbordenden Einfallsreichtums nicht zu karikieren vermag. So überlegt er sich beispielsweise, wie es wohl wäre, wenn der Mensch durch ein eingebautes Navigationsgerät auch nach jeder noch so exzessiven Sauftour den sicheren Weg nach Hause fände. Oder wie sähe die Welt aus, wenn wir alle in einer Oper leben würden?
Der Zuschauer erhält eine völlig neue, ungemein witzige Sichtweise auf die Welt und Antworten auf Fragen, die er sich möglicherweise nie zu stellen gewagt hätte: Wie sieht der Alltag einer 150-jährigen Galapagosschildkröte aus? – Ungeheuer nervig, wenn man ständig durch Dokumentarfilmer belästigt wird. Wie sieht die Paarung eines Hermaphroditen, in diesem Falle einer Schnecke, aus? – Ziemlich selbstverliebt! Welche Phasen durchläuft ein Fisch am Ende seines Lebens? – Gefangennahme, Schlag auf den Kopf, Ausnehmen, Zubereitung, Verzehr, Ausscheidung. Der bis auf den letzten Platz besetzte Saal würdigt derartige Erkenntnisse jedenfalls mit anhaltendem Gelächter und ausgiebigem Applaus.
Kein Mann des Wortes
Wehrmutstropfen: Wer sich gemäss Vorankündigung im Programm auf einen Wortakrobaten und Sprachkünstler gefreut hatte, und wer sich vom Titel Welsch ein Slamassel eine geistreiche und gewitzte Auseinandersetzung mit dem Thema Sprachbarrieren und Fremdsein erhofft hatte, dessen Erwartungen wurden leider nicht erfüllt. Gewiss, der ständige Switch von Französisch und «Welschdeutsch», wie Slama das von einem Welschen gesprochene Deutsch nennt, eine arabische Version des Schweizerpsalms oder die väterliche Ansprache bei einer tunesisch-schweizerischen Hochzeit mögen zwar amüsant sein, für eine originelle Thematisierung interkultureller Verständigungsprobleme sind sie jedoch zu plump. Slama dienen diese Motive lediglich als Vehikel für seine pantomimisch angehauchten Slapstickeinlagen. Angesichts der Virtuosität, mit welcher diese allerdings inszeniert werden, mag man ihm dies problemlos verzeihen.