Die Deutschen aus dem Wald

Die Veranstaltung
Was: Finsterworld
Wo: Zurich Film Festival, Arena 8
Wann: 02.10.2013 bis 04.10.2013
Bereiche: Film+Fotografie, Zurich Film Festival 2013
Zurich Film Festival
Kulturkritik ist am Zurich Film Festival 2013. Wir begleiteten das Festival und berichteten live.
Der Autor
Dave Schneider: Nach Aufenthalten in Deutschland, den USA und Genf lebt und arbeitet Dave Schneider seit 2005 in Zürich. Sein Studium in Filmwissenschaft, Soziologie und Publizistik schloss er im Jahr 2013 ab und ist seitdem Filmredakteur und Schreiberling für verschiedene Schweizer Medien.
Die Kritik
Lektorat: Tilman Hoffer.
Von Dave Schneider, 8.10.2013
Es ist ein Film nicht über das Land, sondern das Volk der Deutschen. Ein Volk, das keines sein möchte.
Aus dem finsteren Wald sind sie einst gekommen. Städte haben sie gebaut und vor allem Strassen. Autobahnen sogar. Menschen haben sie vergast und sind doch so ordentlich, gebildet und ein bisschen verletzlich. Jedenfalls wenn man ihnen zu nahe kommt. Sie haben ein Problem mit der Welt. Vor allem mit den anderen Deutschen. Und ganz besonders mit sich selbst.
Ein seltsames Volk, meint man, wenn man Frauke Finsterwalders Finsterworld gesehen hat. Voller seltsamer Gestalten ist der Film: eine Dokumentarfilmerin zum Beispiel, die einfühlsame Portraits machen will, aber unfähig ist, mit anderen in Dialog zu treten. Ein Spezialist für Pediküren zum Beispiel, der die Hornhaut seiner Kundin sammelt. Oder der Einsiedler, der eine verletzte Krähe bei sich aufnimmt.
Es sind stilisierte Figuren, eigenartig und meist einsam, die dieses obskure Land bevölkern. Ein Land, mit dem sich keiner identifiziert, und wenn, dann nur klammheimlich und in Selbstverachtung. Ein Land, das die Menschen zu prägen scheint. Ist es die grausame Geschichte, die sie verbindet? War es der teutonisch-dunkle Wald? Oder war es doch die Autobahn?
Tragikomisch kommen sie daher, die Deutschen. Mal todtraurig, mal albern oder lächerlich. Immer aber seltsam. Ironisch und klar ist das Bild des Staates, das Drehbuchschreiber Christian Kracht uns malt. Ironisch, aber spöttisch.
Wer die Deutschen verstehen will, sollte Finsterworld gesehen haben. Aber vielleicht muss man auch genug Deutsche kennen, um Finsterworld zu verstehen. Denn eine Geschichte hat der Film nicht. Er hat viele Geschichten. Und sie zeigen uns den Charakter eines Volkes. Eines Volkes, das aus dem finsteren Wald kam und kein Volk mehr sein möchte.