Das grosse Gentheater

kulturkritik.ch - Bildmaterial zur Verfügung gestellt

Die Veranstaltung

Was: Das Einsiedler Welttheater
Wo: Einsiedeln
Wann: 21.06.2013 bis 07.09.2013
Bereich: Theater

Der Autor

Robert Salzer: Jahrgang 1983. Seit 2007 Theater- und Filmkritiken für «students.ch». 2009-2011 Ressortleiter Kultur. Weitere Artikel publizierte er bei «nachtkritik.de», «ensuite», «Akademikerzeitung» und «Stattluft».

Die Kritik

Lektorat: Christian Felix.
Dieser Beitrag wurde durch eine Patenschaft ermöglicht. Herzlichen Dank (siehe Unabhängigkeit).

Von Robert Salzer, 23.6.2013

Einsiedeln ist nicht der Nabel der Schweiz oder gar der Welt. Doch einmal, alle sechs bis sieben Jahre, strömen Theaterliebhaber und Schulklassen aus der ganzen Deutschschweiz in den kleinen Wallfahrtsort. Dann nämlich wird auf dem Klosterplatz Theater gespielt, und zwar nicht irgendeines, sondern seit 1924 das „grosse Welttheater“ des spanischen Autors Pedro Calderón de la Barca. Über 66.000 Besucher haben sich 2007 die letzte Ausgabe des Einsiedler Welttheaters angeschaut. Dieses Jahr sind über vierzig Vorstellungen angesetzt. Zur Premiere ist Prominenz aus Politik und Wirtschaft angereist, selbst eine Bundesrätin gibt Einsiedeln die Ehre. Einzig das Wetter will nicht mitspielen. Es regnet während der gesamten Vorführung, so dass selbst die National- und Ständeräte dankbar die offerierten Regenpanchos über ihre Anzüge überstreifen.

Der Mensch als Schöpfer

Während der Regen stärker wird, aber der Poncho hält, geht es los. Der Klosterplatz ist vom Team des Regisseurs Beat Fäh in eine grosse Baustelle verwandelt worden. Zwei Kräne ragen aus dem Boden und auch Betonmischer, Dixie-Toiletten und Absperrband fehlen nicht. Autor Tim Krohn hat Calderons Vorlage des Welttheaters ins Heute adaptiert, genauer in das Zeitalter der Genmanipulation. Nachdem die wie beim Original stereotypen Figuren (Der Bettler, Der Bauer, Der Reiche etc.) vorgestellt werden, erfahren wir, warum hier eine Baustelle steht. Neue Technologien erlauben es nämlich, bessere Menschen zu schaffen, Erbkrankheiten zu beseitigen, und sie versprechen ewige Jugend. Auch in Krohns Fassung suchen die Menschen nach einem besseren Leben. Der Reiche will seinen drohenden Alzheimer besiegen, eine Sportlerin ihre Leistungen verbessern oder ein Pärchen ein gesundes und schönes Kind bekommen. Doch wir wären nicht in Einsiedeln, wenn nicht auch ein Pater mahnend den Zeigefinger erhöbe, als der Mensch beginnt Schöpfer zu spielen.

Risse auf der Klosterfassade

Über dreihundert Laiendarsteller wirken dieses Jahr auf der riesigen Bühne des Klosterplatzes mit. Und da die Vorlage von Tim Krohn eher etwas ernst und düster daher kommt, wird es den Darstellern nicht einfach gemacht, die Zuschauer in ihren Bann zu ziehen, erschwert auch dadurch, dass die wenigsten der stereotypen Rollen sich im Laufe des Abends weiterentwickeln. Auch das Tempo der Inszenierung ist eher langsam und man wünscht sich manchmal dann doch etwas mehr Dynamik. Dies indes tut der Unterhaltung keinen Abbruch, wird doch vor der beeindruckenden Fassade des Klosters viel geboten. Die Musik beispielsweise, die von Carl Ludwig Hübsch eigens für den Anlass komponiert wurde, unterstreicht die Szenen immer wieder stimmungsvoll und teils mit ausgefallenen Instrumenten. Und auch die Lichtshow, welche kurz vor Ende des Abends Risse auf die Klosterfassade projiziert und später das grosse Finale begleitet, beeindruckt und erzeugt dann doch ein Gefühl von Bedrohung sowie biblische Untergangsstimmung.

Regisseur Beat Fäh betonte in einem Interview mit dem Schweizer Fernsehen, dass er nie auf das Projekt eingestiegen wäre, wenn er Auflagen des Klosters gehabt hätte. Trotzdem bleibt auch nach Besuch des Welttheaters das Kloster im Dorf, und die Positionen des Stücks stimmen letztlich doch mit jenen der katholischen Kirche überein. Das kann man kritisieren. Es ist aber eigentlich nur konsequent, denn so kann der Zuschauer auf dem Heimweg vom Wallfahrtsort zum Stück Position beziehen und darüber nachdenken, wie er es so mit seinen Genen hat.

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