Sprachlos auf und vor der Bühne

kulturkritik.ch - Bildmaterial zur Verfügung gestellt

Die Veranstaltung

Was: Zimmermann & de Perrot: Hans was Heiri
Wo: Theater Spektalel, Werft
Wann: 21.08.2012 bis 28.08.2012
Bereiche: Theater, Theater Spektakel 2012

Theater Spektakel

Kulturkritik ist Partner des Theaterspektakels 2012. Wir begleiteten das Festival und berichteten live.

Die Autorin

Elena Ibello: 1982 geboren, seit 2003 freie Journalistin. Im Master-Studium Art Education, publizieren&vermitteln, an der ZHdK.

Die Kritik

Lektorat: Fabienne Schmuki.
Diese Kritik wurde in Auftrag gegeben und bezahlt von: Zürcher Theater Spektakel (siehe Unabhängigkeit).

Von Elena Ibello, 22.8.2012

Was soll man dazu noch sagen?
Die Presse feiert Zimmermann & de Perrot für ihre neue Produktion überschwänglicher als Roger Federer nach einem wichtigen Sieg. Es wird ihnen der rote Nationalheldenteppich ausgerollt und wenn sie sich verbeugen, verbeugt sich das Publikum stets noch ein bisschen tiefer. «Everyday heros» nennt sie The Sydney Morning Herald, «die Bühnenmagier» die Schweizer Illustrierte und «Das geniale schweizer Duo» die SonntagsZeitung.

Des genialen Duos neueste Produktion «Hans was Heiri» feierte nun Zürcher Premiere am Theater Spektakel. Mitte Januar wurde die Premiere in Lausanne gezeigt und seither reisten Zimmermann & de Perrot mit ihrer Crew über Frankreich, Deutschland, die Türkei, Griechenland und Luxemburg nach Zürich. Und um es gleich zu sagen: Das Zürcher Publikum war – wie könnte es anders sein – hell begeistert. Und wohl auch ein bisschen stolz, schliesslich bezeichnete Martin Zimmermann die Vorstellung in der Werft als «Heimspiel» und bedankte sich nach den stehenden Ovationen so herzlich, wie es nur jemand kann, der leidenschaftlich ist. Und das, da besteht gar kein Zweifel, ist das gesamte Ensemble von «Hans was Heiri». Diese kindliche Freude und Begeisterung, die die Künstler bei ihrem Mordsprogramm an den Tag legen, lässt einen fast ratlos zurück. Wie kann man diese knochenharte Arbeit, diese schweisstreibende Leistung mit einem steten Lachen im Gesicht ausführen? Alles wirkt leicht und unbeschwert. Dabei stellen sich die Artisten nicht einfach einmal auf den Kopf, sondern tanzen, springen, mimen, verrenken sich, ziehen sich hoch und gleiten hinab in alle Richtungen, meist in Gegenrichtungen.

Begrenzung und Befreiung

Würde man all dies nicht mit eigenen Augen sehen, man würde es nicht glauben. Auf Zimmermann & de Perrots Bühne wird gezaubert. Aber nicht wie beim Zauberer, sondern mit einem Höchstmass an Ästhetik. Und mit Geschichten, die von der klassischen Zirkus-Clownnummer (mit Charme noch und nöcher), über die Anekdote einer beginnenden Freundschaft bis zum bösen, handgreiflichen Streit reichen. Diese Zauberei geht tiefer als die üblichen Tricks und bleibt dabei so spielerisch und unverkrampft, dass man über die simpelsten Spässe ungeniert herzhaft lachen kann. Dabei ist es unmöglich, alles wahrzunehmen, was gleichzeitig auf der Bühne geschieht. Eine Bühne übrigens, die wie die Künstler auf ihr ständig in Bewegung ist. In ihre Mitte haben Zimmermann & de Perrot nämlich eine riesige, quadratische Box gestellt, die zum Publikum hin offen ist und sich in vier Elemente aufteilt, wie eine kleine Wohnung mit vier gleich grossen Zimmern. Dazwischen gibt es Türen und Falltreppen und die Künstler stehen von einer Sekunde auf die andere in einem anderen Zimmer – oder an der Wand. Oder sitzen an der Decke. Oder stehen im Winkel zwischen zwei Wänden. Denn die quadratische Box dreht sich wie ein Hamsterrad. Mal langsam, mal schnell, mal im Uhrzeigersinn mal in die entgegengesetzte Richtung. Die Box ist eine Begrenzung, die nach Ausbruch förmlich schreit. Und gerade durch die Einschränkung aber bringen die Artisten unvermutete Kunststücke hervor. Eine Inspiration für das tägliche Leben. Neben diesem Hauptelement gibt es zahlreiche weitere Elemente, die lose auf der Bühne herumliegen und sich durch das Bespielen der Künstler immer wieder in neue Dinge verwandeln.

«Wir mögen die kleinen Dinge», sagen Zimmermann & de Perrot. Das mag wohl sein, aber aus jedem kleinen Ding machen sie etwas scheinbar Riesiges, Unerklärliches. In «Hans was Heiri» ist es Wurscht, ob es sich um ein Theater, eine Performance, einen Zirkus oder Tanz handelt: Wer sich darauf einlässt, kommt auf seine Rechnung. Das Alltäglichste, die simpelste Begebenheit wird in dieser Darbietung zum Ereignis, zum Highlight. Die Kunst entsteht auch dadurch, dass alles, was gezeigt wird, auf die Spitze getrieben wird. Und zwar so, dass man hin und wieder Schiss bekommt, einer könnte auf der Bühne durchdrehen, was nach der ersten Irritation herrlich befreiend wirkt.

Realität und Fiktion

Zimmermann & de Perrot sind nur die besten Artisten gut genug, und das zahlt sich offensichtlich aus. Die zwei Frauen und drei Männer, die mit den beiden auf der Bühne stehen, machen einen glauben, sie könnten einfach alles. Auch singen, was eine schöne Ergänzung zu Dimitri de Perrots Glanztaten an den Plattentellern darstellt. Die aussergewöhnliche Bühne, das aktive, rhythmische Spiel, die Musik und das Licht fügen sich zu einer neuen Wirklichkeit zusammen. Zumindest für die Dauer der Vorstellung. Denn zu Beginn und am Ende scheinen Zimmermann & de Perrot die Fiktionalität der Figuren unterstreichen zu wollen. Marionettenpuppenartig tanzholpern die Artisten dann in rötlichem Licht und leicht psychedelischem Sound durch das Bühnenbild. Und so glaubt man, als die Vorstellung ausklingt, man habe all das nur geträumt, was man eben gesehen hat. Das ist auch viel plausibler.

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