Das ging die Donau runter

kulturkritik.ch - Bildmaterial zur Verfügung gestellt

Die Veranstaltung

Was: Taraf de Haidouks
Wo: Kaufleuten
Wann: 14.03.2012
Bereich: Musik

Die Autorin

Gabriele Spiller: Kulturvermittlerin, Journalistin und Autorin: http://gabriele-spiller.jimdo.com

Die Kritik

Lektorat: Fabienne Schmuki.

Von Gabriele Spiller, 16.3.2012

Die Vorankündigung des Konzerts von Taraf de Haidouks, auch meine eigene, versprach einen ausgelassenen Abend mitreissenden Balkansounds (was immer das eigentlich ist). So war das Kaufleuten trotz nicht unerheblicher Kartenpreise ausverkauft und die Erwartungen der freudig eintreffenden Partypeople hoch. Um es vorweg zu nehmen: Am Spiel der Musiker lag es nicht, dass der Funke nicht bis in die letzte Reihe übersprang. Aber ich kann mich nicht erinnern, wann ich zuletzt in einem Konzert war, das von so vielen Nebengeräuschen überlagert war. Da war zum einen natürlich die Bar, an welcher pausenlos Getränke ausgeschenkt wurden. Vor allem waren es aber die Feierabendgespräche vieler Gäste, die gekommen waren, um sich bespielen zu lassen. Eigentlich ging es darum, bei einem eleganten Drink über die stressige Kollegin oder das missratene Praktikum in der Agentur abzulästern. Auch hatte es den Anschein, dass einige Jungs einfach mitgegangen waren, um ihrer weltmusikaffinen Freundin einen Gefallen zu tun.

In der Tradition der Fahrenden

Nun sind es Zigeunermusiker ja gewohnt, für Geld vor Menschen zu spielen, die für sich in Anspruch nehmen, einer sozial höheren Schicht anzugehören. Schliesslich ist das ihr Beruf. Die Tradition der «Cafés Cantante» in Andalusien beruhte auf der Tatsache, dass die jungen Gutsherren zahlten und die Gitanos spielten. Das eigentliche Fest ging aber erst nach dem offiziellen Programm ab. Mit dem Image der Gipsyband positionieren sich diese Roma aus der Walachei dann auch, und dem Zuhörer steht es frei, wegzuhören, während sich die Musiker die Seele aus dem Leib fiedeln und blasen. Die fröhliche Tanzmusik schrie nach Tanz, nur leider tanzte keiner. Dafür schrie jemand – nämlich «Buh!», schon nach dem zweiten Lied. Beim dritten Lied kamen noch Pfiffe hinzu, aber die kann man ja in verschiedene Richtungen deuten.

Um es klar zu sagen: Zwischen den Stücken brauste jeweils kurz Applaus auf, der allerdings wenig kongruent mit dem Verhalten war, das das Publikum zeigte, während dem die Musik spielte. Hier begegneten sich zwei Kulturen, aber sie trafen sich nicht. Auch als die neunköpfige Gruppe ihre älteste Garde, drei Musiker der Grossvater-Generation, vorschickte, war der «Jöö-Effekt» nur von kurzer Dauer. Zu wenig differenzierten die rüstigen Alten in ihrem Spiel und ihrer Ausstrahlung gegenüber ihren Kollegen.

Noch schneller ist nicht noch besser

Ein Problem des Abends lag darin, dass auch das Repertoire zu wenig differenzierte, zumindest für nicht ausgebildete Musikethnologen. Weder durch eine Konzertdramaturgie, noch durch optische Elemente wie Kostüme, Tanzeinlagen oder Bildprojektionen wurde für Abwechslung gesorgt. Doch auch die feinste Delikatesse oder das virtuoseste Kunststückchen verliert bald ihren Reiz.

Erschwerend kommt sicher die Sprachbarriere hinzu. Da anzunehmen ist, dass 99% der Besucher des Kaufleuten nicht der rumänischen Sprache mächtig sind, blieben die wenigen Texte rein lautmalerisch. Ansagen oder Erklärungen wurden nicht gemacht. Da die visuellen Elemente fehlten, konnte auch nicht vermittelt werden, um was für Inhalte es sich gerade handelte.

Jeder nach seiner Façon

Ein dominantes Instrument der rumänischen Ensemblemusik scheint eine Naturtonflöte zu sein, deren Tonumfang der Pentatonik (Fünfton-Musik) zugeschrieben werden muss. Unter den Vollblutmusikern stach auch das beeindruckende Spiel des Zymbalisten hervor. Auf dem rumänischen Nationalinstrument, in unseren Breiten auch als Hackbrett bekannt, faszinierte er durch sein schnelles Spiel.

Auf jeden Fall war es ein gelungener Abend: für den harten Kern, der um jeden Preis feiern wollte; für die Gäste, die sich einmal 80 Minuten lang ununterbrochen mit ihrem iPhone beschäftigen konnten, und hoffentlich auch für diejenigen, die das Konzert schon lange vor Schluss verlassen hatten.

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