Mein Bruder macht im Stummfilm die Geräusche

kulturkritik.ch - Bildmaterial zur Verfügung gestellt

Die Veranstaltung

Was: pulp.noir iscapes 3
Wo: Theater am Gleis Winterthur
Wann: 11.12.2012
Bereiche: Bildende Kunst, Digitale Medien, Film+Fotografie, Musik, Performance

Die Autorin

Gabriele Spiller: Kulturvermittlerin, Journalistin und Autorin: http://gabriele-spiller.jimdo.com

Die Kritik

Lektorat: Christian Felix.
Diese Kritik wurde in Auftrag gegeben und bezahlt von: pulp.noir (siehe Unabhängigkeit).

Von Gabriele Spiller, 12.12.2012

Wenn Astronauten von Liftgondeln überblendet werden, sich zum staubsaugenden Freddy Mercury («I want to break free») ein Laubbläser gesellt oder Dieter Bohlen im «talentfrei»-T-Shirt die pn-Big Band bespricht, handelt es sich um die i.scapes 3 Performance von pulp.noir. Die sieben Electronic-Künstler unterlegen eine projizierte Bilderflut mit Live-Sounds. James Bailey spricht mit herrlich sonorer Stimme die englischen Moderatoren-Floskeln ein. Er ist der Conferencier bei dieser kurzweiligen und amüsanten Reise durch die künstliche Nacht.

In 80 Minuten um die Welt

Mit bestechenden Schlagzeug-Rhythmen treibt Marius Peyer die bizarre Fahrt voran. Manchmal greift er auch zu E-Gitarren. Das Video gibt das Thema vor, die Gedanken folgen. Was man sieht, ist zunächst sinnfrei. Die Assoziationen passieren im Kopf des Betrachters. Pulp.noir kreieren Stimmungen dazu. Wertungen geben sie nicht ab. Ob indisches U-Boot am Strand oder die drei Musketiere vor einem Quallen-Hintergrund: In was für einer Welt leben wir? Die fesselnden Video-Loops stammen von Julia Maria Morf und Thomas Fischer (Screenplays), den beiden Gründern des Projekts. Ihre augenzwinkernde Sicht aufs Leben könnten sie in der Programmankündigung noch mehr hervorheben. Sie ist ein Charakteristikum und zugleich die Stärke der Produktion.

Ein Trip ohne Pillen

Auf der Leinwand spielt die pn-Big Band aus Klonen der Bühnenmusiker. Der elektronisch verfremdete Swing-Sound baut musikalisches Tempo auf. Die Persiflage im Retro-Stil kommt gut an. Christian Rösli unterstützt den Auftritt an Synthesizern. Und Fabian Gutscher, der mit dem Fleischwolf dreht, macht im Stummfilm des 21. Jahrhunderts die Samples und Geräusche. Es entstehen Klangwelten, in die man versinkt. Die Schleifen und Wiederholungen der visuellen Sequenzen ruckeln und verpassen den gezeigten Personen veritable Tics.

Dem mehrfach ausgezeichneten Kombinat Pulp.noir sind mehr Besucher als die Handvoll Zuschauer im Winterthurer Theater am Gleis zu wünschen. Auch wenn einen die Performance «nur» gut unterhält. Die fehlende Botschaft des Abends dürfte die Botschaft sein: Es macht Spass, sich auf das Absurde einzulassen.

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