Observatio IV

Die Veranstaltung
Was: Schwarz Weiss. Design der Gegensätze
Wo: Museum für Gestaltung Zürich
Wann: 09.11.2011 bis 04.03.2012
Bereich: Observer in Residence Perikles Monioudis
Von Perikles Monioudis, 10.1.2012
Schwarz-weiss ist nie seine Welt gewesen. Er konnte dem Maximalkontrast herzlich wenig abgewinnen. Den frühen Film als Stumm- und Farblosfilm hat er sich farbig vorgestellt, sobald ihm das eingefallen war. Die frühe Fotografie schillerte in seiner Vorstellung in allen nützlichen Farben. Das mochte davon herrühren, dass sein Erwachen von der kindlichen in die Welt der Adoleszenz auch in dem Übergang vom Schwarzweiss der Siebziger in das falschfarben anmutende Reproduktionscolorit der frühen Achtziger Jahre bestand. Seine kindliche Schwarzweiss-Welt, die sie in der frühkindlichen Phase wohl tatsächlich gewesen war (Neugeborene sehen wohl nur schwarz-weiss), wurde abgelöst von Farb-Kodachrome und schliesslich dem Farbfernsehen. Die Welt war für ihn damit in Ordnung – zumindest stimmte die Farblichkeit. Jetzt, vor dem Museum für Gestaltung, sah er das Grün der Wiese, dort vorn das Mädchen mit der blauen Jacke und dem Lustigen Taschenbuch in der Hand, das ihm vor kurzem bereits einmal begegnet war, nun auch den nassschwarz glänzenden Asphalt, da; der Himmel grau und tief, im Innern des zweckdienlichen Baus noch kein Licht. Die Welt schien sich an diesem Sonntagmorgen zunnehmend auf ihren schwarz-weissen Maximalkontrast zurückziehen, zusammenziehen zu wollen; auf den einen Punkt, da alles nur noch schwarz-weiss war und sich in dieser Beschneidung der Wellenlängen neu erfinden wollte: Er betrat das Museum.
In der Ausstellung «Schwarz Weiss. Design der Gegensätze», hatte sich die morgendlich schwarz-weisse Welt in ihre Bestandteile zerstreut, schwarze und weisse Objekte bildeten hier einen Gang durch die Zeit, als diese noch schwarz-weiss schien, eine Kohlewelt, eine Bakelitwelt, schwarz wie die schwärzeste Nacht, schwarz wie die Nacht der Weltkriege, die doch mit dem beglitterten Schwarz von Coco Chanels Kleinem Schwarzen (1926) eine Unterbrechung zu erfahren suchte – vergeblich. Nur noch das schwärzeste Schwarz hatte sich in die Nachkriegszeit zu retten vermocht, schwarz wie schwarzer Samt, schwarz wie das seidensamtene Schwarz des Abendkleides von Grès in Paris (1957), tiefschwarz, «das hängt mit seiner hochflorigen Oberfläche zusammen, die Licht praktisch vollständig absorbiert», las er im xeroxierten Schwarz-weiss-Katalog.
Die vollständige Reflexion von Licht wiederum war in der mit allerlei bedeutenden und unbedeutenden Artefakten sehr schön gestalteten Exhibition nicht zu finden; auch nicht im Weiss der Friedensfahne von Max Daetwyler, der 1914 als angeblich oder tatsächlich erster Schweizer den Kriegsdienst verweigerte und nach einer Begegnung mit Mahatma Gandhi 1932 seine pazifistische Mission konkretisierte, ab 1956 mit Hilfe der Weissen Fahne, die er an einem Bambusstab trug. Weiss auch das aus Baumwolle gefertigte neuere Herrenhemd (ohne Jahrgang), seiner einstigen Symbolkraft als Arbeitskleidungsstück einer Elite entledigt. Die Kuratorin der Ausstellung, Angeli Sachs, hat eine eklektizistische, in der Natur der Sache liegend beliebige Dingwelt (*) ausgestellt, die – für sich und stellvertretend für andere Gegenstände – Schwarz und Weiss in der Geschichte des Designs benennen. Ihm ist dabei erneut aufgegangen, dass das ganze Farbspektrum jede Art von schwarz-weisser Beschneidung in seiner Wahrnehmung in den Schatten stellt. Mehr ist manchmal mehr – auch in den Farben.
* Ihm persönlich fehlte auf Anhieb das Space Shuttle, ziseliertes Elfenbein (beide weiss) sowie der Hals der Pfeife von Monsieur Hulot (wahlweise der noch dunklere bei Magritte) und der Plastikkopf Darth Vaders (beide schwarz).
«Schwarz Weiss. Design der Gegensätze», Museum für Gestaltung, Zürich, vom 9. November 2011 bis 4. März 2012. Mit Führungen und reichhaltigem Rahmenprogramm. Besuch im Januar 2012.