Gschpürschmi, Tierli und ein wenig Chätschgummi

kulturkritik.ch - Bildmaterial zur Verfügung gestellt

Die Veranstaltung

Was: Lisa Catena: Wäutfriede
Wo: Im Hochhaus, Zürich
Wann: 07.12.2012
Bereiche: Musik, Performance, Theater

Die Autorin

Elena Ibello: 1982 geboren, seit 2003 freie Journalistin. Im Master-Studium Art Education, publizieren&vermitteln, an der ZHdK.

Die Kritik

Lektorat: Dominik Wolfinger.
Diese Kritik wurde in Auftrag gegeben vom Migros-Kulturprozent (siehe Unabhängigkeit).

Von Elena Ibello, 8.12.2012

Ich beginne hier gerne mit der Beschreibung von Lisa Catena’s Bühnenfigur – «we’s für öich o stimmt». Luna heisst sie. Luna ist ein Kind der Liebe. Ein antiautoritär, atheistisch und antikapitalistisch erzogenes, neugieriges Mädchen, das an das Gute im Menschen und den Frieden auf der Welt glaubt. Wobei sie inzwischen eigentlich kein Mädchen mehr ist, sondern eine junge Frau, die sich ein wenig wie ein Mädchen gibt. Oder vielmehr wie ein charmantes Dummerchen, an dem im bisherigen Leben einiges vorbeigezogen zu sein scheint und das sich einfach noch immer nicht recht entscheiden kann, was es einmal werden möchte. «Vilech öpis mit Tierli!» Wobei: Nun lockt eine Karriere als Politikerin. Ein alter Bekannter meinte nämlich, genau so jemanden wie sie suche seine Partei noch für die Liste. Wie seine Partei heisst, weiss Luna nicht mehr so genau. Aber «er isch jez bi dene wo vo den angere wäg si. Auso bi dä Bessere!»

Die Kinder der Blumenkinder und der Kapitalismus

«So, de würde mir jez hie aafa. – We’s für öich o stimmt.» Der Anfang der Vorstellung «Wäutfriede» auf der Kleinkunstbühne des Migros-Kulturprozent im Hochhaus am Limmatplatz verläuft etwas harzig. Natürlich ist Lunas anfängliche Scheu und Unsicherheit Programm und Naivität mag sich mit rasantem Tempo nicht wahnsinnig gut vertragen, trotzdem hätte etwas mehr Elan und Geschwindigkeit der Vorstellung gut getan. Denn die Komik, die hier geboten wird, ist keine, die sehr lange nachhallt. Trotzdem: Die junge naive Nachwuchspolitikerin, die sofort und ohne es zu wissen offenlegt, dass sie in Tat und Wahrheit keine Ahnung von Politik hat, zeigt das gewisse Etwas. Man will mehr über diese Figur erfahren und der Unterhaltungswert in der Anlage dieses Programms ist gänzlich unbestritten.

Was geschieht mit der Generation von inzwischen jungen Erwachsenen, die von ihren Eltern, immer noch im 68er-Rausch, antiautoritär in grossen Gemeinschaften vielmehr aufgezogen als erzogen wurden und die die Steinerschule besuchten, wo man sie in erster Linie nach ihren Wünschen und ihrem Befinden befragte? Wie sollen sie in der harten Realität der Gegenwart bestehen? Was wird aus ihnen?

Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder sie werden zu Geld scheffelnden, rücksichtslosen Kapitalisten in geschniegeltem Anzug und mit Gel im Haar (wie im Falle von Lunas Bruder), oder sie werden zu blauäugig und ziellos durchs Leben irrenden Träumern (wie im Falle von Luna selber). Soviel wird nach diesem Abend zumindest klar.

Der Stress mit der Gesundheit

Luna, die dank ihrem Unwissen und ihrer Gutgläubigkeit innert kürzester Zeit mit ihrem Hippie-Gewand und dem Band im Haar auf dem Wahlplakat einer bürgerlichen Partei gelandet ist, redet in «Wäutfriede» drauflos, was ihr eben so in den Sinn kommt. Aber keine Belanglosigkeiten, nein. Sie redet – «we’s für öich o stimmt» – über Politik und auch über Religion, die Gesellschaft und ihren Gesundheitswahn oder über die Volkskrankheit Stress. Und bei diesem Thema, das in der zweiten Hälfte des Programms zum Zug kommt, dreht die junge Bühnenkünstlerin endlich zünftig auf. Hier kommt zum Vorschein, was man längst geahnt hatte: Diese Frau hat’s drauf. Mit rasanten Texten gespickt mit Wortspielen und klugen Schlussfolgerungen, die mit satirischer Sicherheit auf die Spitze getrieben werden, erzählt sie, wie sie sich um ihre Gesundheit zu sorgen begann, jetzt wo sie Politikerin geworden sei und diese bekanntlich ständig unter Stress stünden, und wie sie sich anschickte, dem Stress Einhalt zu gebieten, wobei sie fast kollabiert wäre. Überhaupt liegt die Stärke dieses Programms in den schönen Wortspielen, die immer wieder für Höhepunkte sorgen. Noch verlässlicher sind die Lieder, die Lisa Catena in ihr neues Programm geschmuggelt hat. Hier lässt ihr lange gepflegtes Talent grüssen. Catena war bisher vor allem als Liedermacherin erfolgreich, bevor sie mit «Wäutfriede» ihr erstes Comedy-Programm vorlegte.

Auch wenn dieser Abend hin und wieder an «Chätschgummi» erinnert und es den Witzen manchmal an Durchschlagskraft fehlt, man gibt Luna stets gerne noch einmal eine Chance – und wird nicht enttäuscht. Die Höhepunkte ihres ersten Comedy-Programms sind den Besuch allemal wert. «Für üs stimmts o.»

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