Eine Frage der Brüderlichkeit

Die Veranstaltung
Was: Jake and Pete’s Big Reconciliation Attempt for the Disputes from the Past
Wo: Theater Spektakel, Süd
Wann: 27.08.2012 bis 28.08.2012
Bereiche: Performance, Tanz, Theater Spektakel 2012
Theater Spektakel
Kulturkritik ist Partner des Theaterspektakels 2012. Wir begleiteten das Festival und berichteten live.
Die Autorin
Patricia Schmidt: Jahrgang 1985, studierte Publizistik, Politik und Literaturwissenschaft in Zürich, arbeitet im Consulting.
Die Kritik
Lektorat: Stefan Schöbi.
Diese Kritik wurde in Auftrag gegeben und bezahlt von: Zürcher Theater Spektakel (siehe Unabhängigkeit).
Von Patricia Schmidt, 26.9.2012
Wer ist lauter? Wer schneller? Wer kann höher klettern? Wer besser bauen? In solchen Fragen wetteifern Kinder mit Geschwistern und Kameradinnen. Die beiden Brüder Jakob und Pieter Ampe sind zwar schon längst aus dem Kindesalter raus, tun aber dasselbe. Die zwei Brüder sind sich scheinbar in allem gleich und sehen sich dazu auch noch zum Verwechseln ähnlich, nicht nur wegen ihrer Vollbärte. Umso wichtiger also, sich vom anderen abzugrenzen.
Theater (wie) im Kinderzimmer
Siebzig Minuten lang performen Jakob und Pieter um die Wette. Dabei versucht jeder, sich zu behaupten und den anderen auszustechen. Jakob und Pieter schreien, bis ihnen die Puste ausgeht, jagen einander im Kreis, klettern auf immer wackligere und höhere Türme aus Holzkisten. Ihr Wettstreit ist mal wortlos, mal lautstark, er nutzt das ganze Repertoire von hinterhältigen Tricks bis zu friedlicher Verspieltheit. Mal berühren sich ihre Nasen, dann wieder hocken sie in den gegenüberliegenden Enden des Raumes. Ein Hin und Her, bei dem man schnell den Überblick verliert.
«Jake and Pete’s Big Reconciliation Attempt for the Disputes from the Past» entstand im Rahmen eines Mentoringprogramms des letztjährigen «Festivals Spielart» München. Jakob und Pieter Ampe spannten hierfür mit Alain Platel, dem bekannten belgischen Choreografen und Regisseur, zusammen. In der Tradition ihres Mentors verbinden die beiden Brüder in ihrer Performance Elemente des Theaters, des Zirkus’, der Musik und des Tanzens. Was daraus entsteht, ist einzigartig – und sehr persönlich.
Ganz leger in Alltagskleidern und bunten Wollsocken gekleidet, scheinen sich Jakob und Pieter auf der Bühne wortwörtlich zu Hause zu fühlen. Genauer: Sie scheinen in die Tage ihrer Kindheit und in ihr Kinderzimmer zurückversetzt. Für diese Zeitreise braucht es wahrlich nicht viel. Lediglich ein paar Holzkisten finden sich auf der Bühne. Der Rest geschieht in der und mit viel Phantasie.
Herzzerreissendes Familienporträt
Auch wenn Jakob und Pieter miteinander wetteifern, sich permanent gegenseitig antreiben und austricksen, entstehen zwischendurch auch ruhige Momente. In diesen Augenblicken wird eine starke Verbundenheit der beiden Brüder greifbar. So etwa ganz am Schluss, als die beiden gemeinsam ihr «Kinderzimmer» aufräumen, um sich kurz darauf gegenseitig in ein Glitzerkostüm zu helfen und die «Declaration to stop fighting» vorzutragen. Wobei sie sich auch hier am Ende nicht einig sind, ob sie nun gekämpft oder einfach nur gespielt haben. Es sind solch berührende Minuten, die das Familienporträt prägen.
Wer war denn nun lauter? Wer schneller? Wer kletterte höher und baute besser? Am Ende bleiben diese Fragen unbeantwortet. Die Antworten spielen aber auch längst keine Rolle mehr. Viel mehr stehen jetzt zwei Männer auf der Bühne, die bewiesen haben, was echte Bruderliebe und, daraus erwachsen, eine richtige Männerfreundschaft ist. Der «grosse Schlichtungsversuch», den der Titel der Perfomance ankündigt, wird damit zur herzzerreissenden und humorvollen Familiengeschichte.