Gewürfelter Sprachwitz

Die Veranstaltung
Was: Icon Poet, das Leben ist ein Würfelspiel – Dezemberbücher
Wo: Remise Lagerstrasse 98, Zürich
Wann: 03.12.2012
Bereiche: Design, Literatur
Die Autorin
Antonia Steger: Jahrgang 1988, studiert Germanistik und Kulturanalyse im Master, arbeitet daneben im Ausstellungsbereich (Kommunikation/Redaktion).
Die Kritik
Lektorat: Moritz Weber.
Dieser Beitrag wurde durch eine Patenschaft ermöglicht. Herzlichen Dank (siehe Unabhängigkeit).
Von Antonia Steger, 5.12.2012
Traditionelle Poetry Slams als Kultivierungsstätten von Rampensau-Poesie zu bezeichnen, und dies sehr wohlgesinnt, ist wohl nicht weit hergeholt. Jedenfalls besitzt dieser kulturelle Massensport einen ungeheuren Unterhaltungswert, der Autoren mit viel spontanem Charme anzieht.
Mit «Icon Poet» taucht nun ein neues Konzept in diesem Genre auf. Vier Spontanautoren treten in diesem Spiel gegeneinander an, um live vor Publikum Kürzestgeschichten zu improvisieren. Fünf gewürfelte Icons, drei Minuten Zeit und ein Szenario ist alles, was sie zur Verfügung gestellt bekommen. Was daraus entsteht, ist dann quasi Rampensau-Poesie für die Twitter-Generation.
Schweisstreibende Kombinationen
Da muss in wenigen Sätzen eine Heiratserklärung mit einem Goldfisch und Reagenzgläsern hingezaubert oder ein Tischgebet mit einem Engel, einer Bowlingkugel und einer Schildkröte aus dem Ärmel geschüttelt werden. Erlaubt ist dabei alles, was Spass macht und zum Gewürfelten assoziiert werden kann. Literatur ist dabei nicht zu erwarten, dafür lebendige Sprache.
Die vier Spontanautoren des Abends, Simon Libsig, Ruedi Widmer, Paul Steinmann und Jürg Wirth, haben eine mutige Leistung gezeigt und für so manches herzhafte Lachen gesorgt. Nicht jede Geschichte gelang, doch bei totaler Schreibblockade gab es schliesslich noch Joker einzulösen. Das Publikum schrieb nämlich selber mit und konnte einen in Not geratenen Spontanautoren aus der Patsche ziehen.
In Rand und Band, aber schmunzelnd
Dieses aktive Einbeziehen der Zuhörer birgt ein grosses Potenzial sowie einen Knackpunkt: Man kann selbst seinen Sprachwitz unter Beweis stellen – oder man merkt, dass auf Knopfdruck lustig sein verdammt schwierig ist. Wenn das Publikum nämlich selbst keine gute Portion Rampensau-Genetik mitbringt, verläuft der Abend besonders für den Moderator etwas zäh.
Doch auch wenn der Abend nicht gleichermassen ausser Rand und Band geriet wie an einem Poetry Slam in Berlin-Kreuzberg, verklang er doch mit einem grossen Schmunzeln im Gesicht. Die gute Stimmung unterstützte nicht zuletzt der Austragungsort in der wunderschönen Remise. Dort gastiert im Dezember die temporäre Buchhandlung «Dezember Bücher» mit einem interessanten Konzept: 60 kleinere Verlage verkaufen jeweils zwölf frei ausgewählte Publikationen. Die Auswahl ist unkonventionell und bietet viele potenzielle Lieblingsbücher, die man selbst gerne unter dem Weihnachtsbaum wiederfinden würde.