Liebste Quartierwelt

Die Veranstaltung
Was: Bildwelten_6
Wo: Zürich
Wann: 01.12.2012 bis 21.12.2012
Bereich: Bildende Kunst
Die Autorin
Sara Lisa Schäubli: Schrift ist für mich viel mehr als eine Ansammlung von Zeichen. Sie ist in der Lage unsere Wahrnehmung zu verändern. Darum schreibe ich: um zu verstehen, zu definieren, zu vermitteln. Schreiben verändert meine Welt.
Die Kritik
Lektorat: Lukas Meyer.
Diese Kritik wurde in Auftrag gegeben und bezahlt von: KunstRaum R57 (siehe Unabhängigkeit).
Von Sara Lisa Schäubli, 2.12.2012
Oben auf dem Röschibachplatz ist Märt. Junge Familien kaufen in der letzten Minute einen Adventskranz, zwei Jungs grölen sich quer über den Platz etwas zu, ein Alki quatscht eine alte Dame zu. Ein paar Meter weiter unten leuchtet die Galerie R57. Tatsächlich: Die ganze Ausstellung Bildwelten_6 auf 18 Quadratmetern. Die mehr als 100 Werke von 41 Kunstschaffenden hängen akkurat an den Wänden. Dort hinten blitzt eine Frau in Flammen hervor und auf der Küchenabdeckung liegt «die Versuchung», eine drapierte Mausefalle mit Praliné.
Nach dem Eintreten geht es mir gleich wie einer Besucherin nebenan: «Hui, jetzt bini gad echli überforderet.» Die Menschen schieben sich im Turnus aneinander vorbei, damit jeder jedes Bild einmal begutachten kann. Bald merke ich: über wenige Bilder im R57 lässt sich etwas sagen. Mein Blick schweift über die Wände, ohne hängen zu bleiben. Und dann finde ich doch noch einige Perlen.
Schalk und Collagen
Andy Fischli’s Zeichnungen kenne ich von seinem absolut genialen Comicbuch «Der Sinn». Dort personifiziert er in seiner ersten Geschichte alle Emotionen im Abend eines Junggesellen wie der Alkohol, die Erotik und schliesslich die Onanie. Alle folgen sie ihm als schalkhafte Figuren auf Schritt und Tritt. Auch die Personen in den ausgestellten Werken versprühen eine erfrischende Ironie, wenn zum Beispiel die zwei brav aufgemachten Mädchen einem die Zunge entgegenstrecken.
Mein Blick bleibt auch bei den Collagen von Julia Marti hängen. Sie stellte dieses Jahr schon an der Jungkunst in Winterthur aus. Ihre Déja-vu-Serie zeigt zusammengeklebte Fabelwesen, die auf seltsame Weise berühren.
80 Zeichnungen in der Kälte
Die Atmosphäre im und ums R57 ist magisch. Draussen halten sich alle an einem warmen Becher Glühwein fest. Nur drüben an der Strasse sitzt im Dunkeln eine eingemummelte Gestalt. Das muss Salome Landa sein, die die Vernissage zeichnerisch festhält. Um halb fünf habe sie angefangen zu zeichnen unten an der Strasse. Der Kälte entsprechend habe sie ziemlich schnell gezeichnet. Gut zehn kleine Kunstwerke sind schon mit schwarzem Filzstift aufs Papier gebracht. Sie hat auf jeden Fall noch einiges vor sich. Das Notizbuch hat 80 Seiten.
Familientreffen
Die junge Frau neben mir fragt plötzlich, ob ich auch etwas ausgestellt habe drinnen. Von vorne macht ein Herr ein Foto und sagt «Iehr gxehnd us wie sones Zeichnigsgrüppli.» Irgendwie kennen sich alle. Das R57 mutiert zum Wohnzimmer.