«Alles ist Wunderland» – die Zuschauerkritik

Die Veranstaltung
Was: Alles ist Wunderland
Wo: Casinotheater Winterthur
Wann: 04.05.2012 bis 26.05.2012
Bereiche: Literatur, Musik, Tanz, Theater, Die Zuschauerkritik, Keine
Die Zuschauerkritik
Die Zuschauerkritik – unter diesem Titel probiert Kulturkritik ein neues Kritik-Format aus. Wir freuen uns auf jede Rückmeldung per E-Mail.
Die Autorin
Dania Sulzer: In Winti geboren, dort ausgegoren. Kulturinteressiert und sprachversiert. Die Uni liess ich hinter mir, die ZHdK ist nun mein Revier. Schreiben und gelesen werden, dafür würd ich - nein nicht gerade - sterben. Freude machen Stift und Blatt, ich bin ein kleiner Nimmersatt.
Die Kritik
Zu dieser Veranstaltung wurde eine weitere Kritik verfasst.
Lektorat: Stefan Schöbi.
Dieser Beitrag ist im Rahmen eines Mentorats zur spezialisierten Publikationspraxis im Master-Studiengang publizieren & vermitteln entstanden.
Von Dania Sulzer, 3.6.2012
Im Theatersaal, sechste Reihe, kurz vor Beginn
K (flüstert): Hast du gesehen, zwei Reihen hinter uns sitzt Oswald Grübel.
H: Jaja, hab ihn schon beim Apéro erkannt, sie haben Fotos von ihm und seiner Begleitung gemacht. Sowieso viele Promis hier oder?
K: Ja, aber was macht der Grübel denn hier? Die anderen gehören ja alle irgendwie zum Künstlerkuchen, die Cüplisozis, aber der Grübel passt hier gar nicht hin.
H: Jetzt lass den doch. Hast ja gesehen, Schawinski und all die anderen haben mit ihm geredet. Vielleicht ist er ja nett.
K: Oder einflussreich oder einfach nur reich? Ou, lueg. Der Depressive kommt auf die Bühne. Schau mal was der anhat. Schön sieht das ja nicht aus mit diesen Trainerhosen und der Kapuze, so tief im Gesicht. Meinst du der ist auch in Echt so komisch drauf?
H: Psscht!
In der Pause
B (quetscht sich durch die Menge nach draussen, die Zigarette bereits im Mund, zwei Cüpligläser in der Hand): Also «Theater» ist das ja nicht unbedingt.
F: (Nimmt ein Cüpli) Danke. Überhaupt nicht, nein. Soll es denn Theater sein?
B: Ja, es heisst doch, Poetry-Slam-Theater.
F: Darunter versteh ich aber nicht Theater im engeren Sinne, das ist doch mehr Poetry-Slam in mehreren Akten.
B: OK, Nico Semsrott und Theresa Hahl sind Slamer, Knackboul ist Rapper und Beatboxer. Aber was machen dann die anderen zwei Individualisten auf der Bühne? Die Tänzerin und der Clown? Und es stand ja auch viel Musik auf dem Programm.
F: Der Clown ist zur Auflockerung da und die Tänzerin verstreut Feenstaub und untermalt damit den Titel «Alles ist Wunderland». Tschäggsch?
B: Die ist übrigens die Freundin von Knackeboul, häsch gwüsst?
In der Schlange vor der Garderobe, nach der Vorstellung
G: Ich hätte gerne noch mehr von Knackebouls Beatboxing gehört. Immer wieder interessant was man mit der eigene Stimme und seinem Körper anstellen kann.
M: Ja, er ist ein bisschen untergegangen. Und den anderen Musiker, den Ludwig Berger, kann ich gar nicht einschätzen. Kennst du die Songs von Element of Crime? Seine Lieder sind im gleichen Stil. Einfach, aber inhaltlich spannend. Nur hat es mich irritiert, dass der beim Performen immer Sonnenbrille und Mütze auf hatte.
G: Naja, die Sonnenbrillen sind unnötig, aber das Bühnenbild find ich sonst ganz witzig. Halt sehr trashig. Passt zu den jungen Leuten auf der Bühne. Und alles voller Stromkabel und elektrischer Geräte. Ich stell mir vor, dass die eine junge WG sind und in der Wohnung von Oma wohnen, die ins Altersheim gezügelt ist.
M: Gut gemacht auf jeden Fall. Und dann immer wieder dieses Puppen-Motiv. Sogar die Tänzerin hat was Puppenhaftes. Ich find’s unheimlich. Und dieses Gruselelement passt nicht zum Rest.
G: Doch doch, den Jungen graust’s doch vor ihrer Zukunft. Nicht?
M: Hast du unser Garderobennümmerli?
Auf dem Heimweg
J: Die Texte von Theresa Hahl, ach, die berühren mich ziemlich, vor allem der allererste, der war toll. Ich glaub, die denkt und fühlt wirklich so.
R: Mir ist das ein bisschen zu übertrieben, die ganze Traurigkeit und der Weltschmerz. So schlecht hat die’s sicher nicht.
J: Es geht ja auch eher darum, dass mal jemand sagt, was Sache ist um uns herum, dass mal jemand in Worte packt, was in uns und unserer Welt passiert – klar wird’s dann dicht…
R: Mir ist das zu deprimierend fürs Casinotheater. Ich will doch lachen hier. Besonders, wenn das Casinotheater mit diesem Stück sein zehnjähriges Bestehen feiern will. Gut gibt’s den Clown. Sonst würd man ja denken, unsere Welt sei düster und böse.
J: Ist sie das denn nicht?
R: Ach komm, nicht du auch noch. Wie diese Wunderländler selber sagen: «Das Leben ist nun mal kein Wunschkonzert.»
J: Und du bist einfach extrem ungschpürig (beleidigt wird der Haustürschlüssel aus der Handtasche gekramt und die Haustür aufgeschlossen).
In eigener Sache: Mit der «Zuschauerkritik» probiert kulturkritik.ch ein neues Kritik-Format aus. Nicht immer ganz ernst gemeinte Dialoge statt wuchtiges Kritikergedönse, ein Dramulett anstelle eines Monologs: Die «Zuschauerkritik» lebt von der Überzeugung, dass das, was der eine oder andere so meint und was dieser und jener so denkt, vielleicht nicht ganz unbedeutend ist. Oder: Der Zuschauer ist der klügere Kritiker – korrekt?. Feedback willkommen per E-Mail.