Kleine Künstler, grosse Mäuler

Die Veranstaltung

Was: Winterakademie 2011: Fressen und Gefressen werden; Abschlusspräsentation
Wo: Theaterhaus Gessnerallee
Wann: 19.02.2011
Bereiche: Performance, Tanz, Theater

Die Autorin

Elena Ibello: 1982 geboren, seit 2003 freie Journalistin. Im Master-Studium Art Education, publizieren&vermitteln, an der ZHdK.

Die Kritik

Lektorat: Lukas Meyer.
Diese Kritik wurde in Auftrag gegeben und bezahlt von: Theaterhaus Gessnerallee (siehe Unabhängigkeit).

Von Elena Ibello, 20.2.2011

Die Vielfalt an Sprachen, Farben und Darstellungen ist überwältigend. Solch eine Masse an Schöpferischem muss einfach aus einer Masse von Schöpferinnen und Schöpfern entstanden sein. Und so ist es auch. An der Winterakademie 2011 des Theaterhauses Gessnerallee nahmen rund 100 Kinder und Jugendliche teil, begleitet von über 15 Künstlerinnen und Künstlern. Sie nahmen sich einem zwar allgegenwärtigen, aber ungewohnten Thema an: Fressen und gefressen werden. Während der vergangenen Woche schufen die jungen Künstlerinnen und Künstler in acht verschiedenen Labors mannigfaltige Werke – und frassen dabei, was sie an Eindrücken nur verschlingen konnten, um diese nun an der Abschlusspräsentation endlich dem Publikum darzureichen.

Ihre grossen Mäuler waren ihnen dabei dienlich. Schon bei der Eröffnungsdarbietung auf der grossen Bühne in der Theaterhalle nahmen die kleinen Schauspielerinnen und Schauspieler ihre Mäuler reichlich voll. – Und das nicht nur beim Fressen am langen Holztisch, der in der Mitte der kahlen Bühne stand. In ihren Kurzgeschichten rund um das Thema kamen gewitzte Dialoge zum Zug und die Figuren, die die Kinder zwischen zehn und zwölf Jahren mit viel Körpereinsatz darstellten, deckten alle möglichen Altersgruppen ab. Der Laborleiter, Schauspieler und Performer Philippe Graf, schien den richtigen Draht zu den gefrässigen Winterakademikern gefunden zu haben. Dass hier eine volle Woche lang nicht nur beobachtet, nachgedacht und erdichtet, sondern auch am Ausdruck gearbeitet und gefeilt wurde, zahlte sich nun auf der grossen Bühne mit den kleinen Künstlern aus.

Geräuschjäger und Bildmischer

Die Altersgruppe der 13 bis 15-Jährigen hatte nach der intensiven Woche ebenfalls Beachtliches zu zeigen. Unter dem Namen „HaiTV“ produzierten sie Fernsehbeiträge und Kurzfilme. Die Geschäftigkeit im Raum verlieh der Darbietung eine gewichtige Ernsthaftigkeit. Man bot eine Live-TV-Show mit eingespielten, vorproduzierten Beiträgen. Die Kamerafrauen und –männer filmten ihre moderierenden Kollegen, und die Bildmischer und Schnitttechniker sorgten dafür, dass die Show live auf der Grossleinwand übertragen werden konnte. Unter der Leitung der Videokünstler Michi Egger und Maité Colin entstand eine umfangreiche Show. Alles in Allem war auch hier das Überwältigende die Vielfalt. In einer halbstündigen Präsentation kam alles zum Zug, was zum Fernsehhandwerk gehört: Aufnahme, Schnitt, Synchronisation, Animation, Einblender, Untertitel, Livemoderation und ein Live-Interview (natürlich alles inklusive kleinerer Pannen, die die Gesamtleistung kaum zu schmälern vermochten).

Dass auch die kleinsten Winterakademiker zu grossen Taten mit grossen Mäulern fähig sind, zeigte das Labor von Stini Arn. Hier gingen die Sieben- bis Neunjährigen auf Geräuschjagd in der Umgebung des Fressen-und-Gefressenwerdens und brachten ihre Beute ins Labor, wo sie sie konservierten und in der Geräuscheküche eine währschafte Geräuschsuppe anrichteten. Während die einen auf der Pirsch waren, produzierten die anderen im eigens gebauten Tonstudio ein Hörspiel. Ein eigentlicher Geräusch-Krimi, den sie sodann live mit verschiedensten Gegenständen zusätzlich vertonten. Eine Rasselbande, die nicht nur rasselte, sondern auch klopfte, streichte, klatschte und gluckste. Ein Erlebnis für alle Sinne.

Zuckergarnierte Party

Die Sinne kamen an dieser Abschlusspräsentation überhaupt gar nicht zur Ruh’. Nach all den Eindrücken versammelten sich die zahllosen Zuschauer – viele stolze Eltern, Grosseltern, Geschwister und viele schwärmende Schulgspändli der Winterakademiker – ein zweites Mal in der Theaterhalle. Das grosse Finale, entstanden unter der Laborleitung von Eva Maria Küpfer und Sarah Küng, stellte den Weg einer industriell hergestellten Torte in Übergrösse dar. Die farbenreich gekleideten Zehn- bis Zwölfjährigen spielten die „Rädchen“ in einer grossen Maschine. Mit zahlreichen Materialien stellten sie rhythmisch und kunstvoll ein Laufband nach, auf dem der Teig zur Torte und die Torte schliesslich zum Kunstwerk wurde. Die Wahnsinnsladung Puderzucker, die die Maschine der Torte zum Schluss verpasste, und der Bass der Musik, die sogleich aufgedreht wurde, verleitete regelrecht zum Jubel – nicht nur die Darsteller, die noch eine Tanzeinlage mit viel Schwung im Haar einlegten, sondern auch die anderen Kinder der Winterakademie 2011 feierten ausgelassen auf der mit Puderzucker und Schokostreusel bedeckten Bühne und lieferten sich – wen wundert’s – noch eine schneeweisse Puderschlacht. Für alle anderen gab’s danach noch eine zuckerfreie Party in der Lounge.

Kein Wunder konnte dem Publikum auch in drei Stunden Präsentation nur die Hälfte aller Laborergebnisse vorgeführt werden. Eine überwältigende Vielfalt.

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