Brüche durch Shanghai

Die Veranstaltung

Was: Veronika Brusa: «Better City - Better Life»
Wo: Kunstraum R57
Wann: 19.08.2011 bis 09.09.2011
Bereich: Bildende Kunst

Die Autorin

Nadine Burri: Jahrgang 1981, studierte Germanistik und schreibt an einer Dissertation zu alter Geschichte und Literatur, Redaktionsmitglied des Elfenbeintürmers (Historikermagazin der Universität Zürich)

Die Kritik

Lektorat: Stefan Schöbi.
Diese Kritik wurde in Auftrag gegeben und bezahlt von: KunstRaum R57 (siehe Unabhängigkeit).

Von Nadine Burri, 25.8.2011

Die Idee für die Verarbeitung von Leim und Asphaltlack kam Veronika Brusa an einem Sonntagabend und liess sie nicht mehr los. Aus Leim, Lack und weiteren Materialien entstand die Ausstellung «Better City – Better Life» im Kunstraum R57.

Skyline einmal anders

Der kleine Raum in Zürich Wipkingen ist mit wenigen Schritten durchmessen und bietet der Stadtlandschaft aus Bildern nur knapp genügend Platz. Auf den ersten Blick reihen sich kleinere und grössere Werke und skulpturähnliche Gemälde in düsteren Beige- und Brauntönen aneinander. Anders auf den zweiten Blick. Die einzelnen Bilder lassen Häuserfronten erkennen, spitze Dächer, Balkone oder Alleen aus schwarzbraunen Bäumen. Die St. Gallerin Veronika Brusa hat ihre Eindrücke der Metropole Shanghai auf ihre Weise umgesetzt. Die Werke leben nicht vom Gegenstand, den sie darstellen, sondern von der ungewöhnlichen Kombination aus Materialien und Techniken. Die Künstlerin hat Gummiarabicum, Asphaltlack, Tusche und Leim zu einer Einheit verarbeitet. Dabei entstehen auch zufällige Effekte und unerwartete Ergebnisse, welche dem Resultat eine besondere Atmosphäre verleihen.

Zwei wie Wasser und Öl

Unter den Werken finden sich kleine Bilder aus Büttenpapier, die eine Gummiarabicum-Grundierung aufweisen, über die mit Tinte und Asphaltlack Teile von Häusern oder Ausschnitte von Fassaden gemalt sind. Die Tusche auf Wasserbasis sowie der Asphaltlack auf Ölbasis sind eigentlich Gegensätze, verbinden sich hier aber in unvorhersehbaren chemischen Reaktionen. Wie die Künstlerin erklärt, erscheint dabei das Bild zuerst sehr dunkel und erst mit dem Trocknen der Farbe und des Lacks werden die Strukturen und Pinselstriche deutlicher sichtbar. Je nach Dicke der Grundierung entstehen so mehr oder weniger tiefe Risse und Brüche in der Tinte. Sie stehen unbeabsichtigt und doch passend im urbanen Gesamtbild von Shanghai.

Die Verbindung der Techniken, aber auch das Unvorhersehbare und Gegensätzliche machen für Veronika Brusa den Reiz aus. Besonders deutlich kommt dies in ihren Collagen zum Ausdruck. Düstere Fotos von dicht gedrängten Wohnungen – Fenster an Fenster, Balkon an Balkon – erweitert sie durch die Technik auf verblüffende Art und Weise. Das Bestreichen der Fotos mit Leim führt zu einer zusätzlichen Tiefe und einer Intensität der Farben. Die Linienführungen der Bilder werden von der Künstlerin über den Blattrand hinaus fortgeführt. Mit Holzleim malt sie Bilder auf eine Glasplatte, die zuvor mit dem dunklen Asphaltlack eingefärbt wurden. Getrocknet können sie wieder von der Glasplatte abgezogen werden und besitzen dann den dreidimensionalen Effekt. Sie werden nun mehr oder weniger geordnet zwischen die Fotos eingefügt. Die chaotische und doch strukturierte Millionenmetropole Shanghai wird in dieser Technik neu erfunden.

Alltägliches neu kombiniert

Weitere Collagen beziehen die Bewohnerinnen und Bewohner der Metropole mit ein. Alltägliche Szenen und Tätigkeiten werden dabei aus ihrem gewohnten Umfeld gerissen und neu zusammengesetzt. Dies widerspiegelt sich auch in den gewählten Materialien. Fotos und Zeichnungen werden auf teilweise nicht massstabgetreue Weise vermischt. Das Foto eines glatzköpfigen Mannes auf einem wackligen Klappstuhl thront beispielsweise übergross auf einem fast zerbrechlich wirkenden, gezeichneten Gebäude. Ebenso erkennt man ein enormes Hochhaus, zusammengefaltet wie eine Handorgel oder einen Mann mit einer Gans zu seinen Füssen, die auf einer viel zu grossen Bühne stehen.

Sieht man von der alle Werke verbindenden düsteren Farbe ab, bleibt der Eindruck einer besonderen Vielfalt in den Werken bestehen. Sie zeigt sich subtil und in den Details, aber auch durch die ungewohnte Kombinationen von Techniken und Materialien. Ein aussergewöhnlicher Blick auf Shanghai.

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