Let’s dance!

kulturkritik.ch - Bildmaterial zur Verfügung gestellt

Die Veranstaltung

Was: Vanilton Lakka: O corpo è o midia da dança ? / Outras partes
Wo: Theater Spektakel, Club
Wann: 23.08.2011 bis 25.08.2011
Bereiche: Tanz, Theater Spektakel 2011

Die Autorin

Fabienne Schmuki: Jahrgang 1983. Absolventin des Masterstudiengangs Kulturvermittlung, «publizieren & vermitteln» an der ZHdK. Co-Geschäftsführung eines Schweizer Independent Musikvertriebs; Promotion & Kommunikation. Freelancerin für diverse Print-/Onlinemedien.

Die Kritik

Lektorat: Elena Ibello.
Diese Kritik wurde in Auftrag gegeben und bezahlt von: Zürcher Theater Spektakel (siehe Unabhängigkeit).

Von Fabienne Schmuki, 24.8.2011

Wer sagt eigentlich, dass zu «La Cumparsita» nur Tango getanzt werden darf? Vanilton Lakka mit Sicherheit nicht. Und braucht man zum Tanzen unbedingt Musik? Vanilton Lakka mit Sicherheit nicht. Was macht denn Vanilton ohne Musik und ohne Tango, werden Sie sich jetzt fragen. Nun, er tanzt.

Tanzen nach Lust und Laune

Genaugenommen tanzt nicht Vanilton Lakka, sondern er hat seine beiden Mittänzer Cloifson Costa und Fabio Costa mit dabei im Club auf der Zürcher Landiwiese. Rund um die Tanzfläche sind Stühle angeordnet, das Publikum ist hautnah am Geschehen dabei – wie nah es wirklich dabei ist, wird es in Kürze erfahren.

Breakdance und Streetdance haben in unseren Kulturkreisen mit dem Begriff «Tanz» nur ganz entfernt was zu tun. Nicht so in Brasilien, Lakkas Heimat. Dort ist Hip-Hop sehr viel tiefer in der Volkskultur verankert. Genauso wie das Taktgefühl und die Selbstverständlichkeit zu tanzen, wenn einem danach ist. Und wenn diesen drei Herren danach ist, dann tanzen in erster Linie die Muskeln. Und die Herzen der Damenwelt hüpfen im Takt.

Zwischen Kampf, Tanz und Kommunikation

Was immer wieder an Capoeira erinnert, oder an Run DMC-Videoclips aus den 90er Jahren, das ist die Tanzkunst, die in «O corpo è o midia da dança? Outras partes» geboten wird. Ob zu Tango, zu Cha-Cha-Cha, zum Rauschen einer Radiofrequenz oder zum Motorenlärm eines batteriebetriebenen Autos, Lakka und seine Kumpels finden in allem einen Takt und einen Rhythmus. Die Bewegungen lassen einen das Atmen vergessen, bei den Kopfständen kneift man die Augen zu, so sehr befürchtet man, das Genick könnte einmal nicht standhalten. Als das Publikum aufgefordert wird, die Choreographie mit «Stop!» und «Continue!» zu steuern, halten die drei in den unmöglichsten Positionen auf Kommando inne. Die Kraftakte, welche die drei Brasilianer liefern, zeugen von einer Körperkontrolle, einem Gleichgewicht und einer Beweglichkeit, von der Yogalehrerinnen nur so träumen.

«Ist der Körper das Medium des Tanzes?», fragt Lakka im Titel seiner Vorstellung, und er liefert die Antwort auf seine Frage gleich selber, indem er ein kleines Spielzeugpüppchen tanzen lässt oder zwei Goldfische. Ob nun das Zucken im kleinen Zeh der Auslöser für Bewegung ist, das Gehör oder die Vibration, wenn man nicht anders kann, dann tanzt man. Zumindest in Brasilien.

Besser mitklatschen statt mitmachen

In der Schweiz verhält es sich mit dem Tanzen etwas anders. Dass das Schweizer Publikum zu viel Aufmerksamkeit generell scheut und besser im Mitklatschen ist, als im Mitmachen, hätte man den drei Tänzern sagen müssen. Die wahrscheinlich gut angedachte Mitmach-Performance kumuliert so aber leider in einem kleinen Desaster, in welchem sich Publikumsgäste von durchschnittlicher Beweglichkeit durch einen Dschungel von gespannten Seilen kämpft. Dazu läuft der Soundtrack von «Mission Impossible». Einen passenderen Titel gibt es für diese beinahe ins Lächerliche abdriftende Darbietung kaum.

Somit endet die Vorstellung also mit diesem Do It Yourself-Teil. Die abschliessende Migros Klubschule-Atmosphäre nimmt der im Grund hervorragenden Darbietung der drei Brasilianer ein Stück Ernsthaftigkeit und Zauber.

Letztendlich wird auf einen eingangs verteilten Zettel hingewiesen, auf dem sich eine Telefonnummer und eine URL befinden. Ruft man bei der Nummer an, erhält man eine Anleitung, um sich eine eigene Voice Mail einzurichten. Und beim Abdrucken der URL hat sich ein Fehler eingeschlichen: die Adresse führt nirgendwo hin. Schade, findet der Selfmade-Charakter auch nach den 40 Minuten Vorführungsdauer keinen Abbruch.

Weiterlesen: