A Man Needs a Maid
Die Veranstaltung
Was: To Serve
Wo: Theaterhaus Gessnerallee / Villa Tobler
Wann: 23.06.2011 bis 26.06.2011
Bereiche: Performance, Tanz
Die Autorin
Fabienne Schmuki: Jahrgang 1983. Absolventin des Masterstudiengangs Kulturvermittlung, «publizieren & vermitteln» an der ZHdK. Co-Geschäftsführung eines Schweizer Independent Musikvertriebs; Promotion & Kommunikation. Freelancerin für diverse Print-/Onlinemedien.
Die Kritik
Lektorat: Gabriele Spiller.
Diese Kritik wurde in Auftrag gegeben und bezahlt von: Theaterhaus Gessnerallee (siehe Unabhängigkeit).
Von Fabienne Schmuki, 24.6.2011
Die Damen und Herren des Tribunals sitzen an einem liederlich gedeckten Tisch. Nelson Mandela ist nicht anwesend, nur seine Namenskarte, dafür ist Eva da und erklärt, dass sich eine Frau nur durch das Bedienen anderer von ihrer Erbsünde reinwaschen könne. Die Menschenrechtsanwältin kommt kaum zu Wort. Ihr französisches Plädoyer wird von englischen Monologen unterbrochen.
Und dann steht da das Dienstmädchen, alleine in ihrer roten Schürze. Und lächelt. Es führt das Publikum damit wieder an den Anfang des Abends, zweienhalb Stunden früher.
Um diese Zeit war es nämlich stockdunkel im Theaterhaus Gessnerallee, wo die Premiere von «To Serve» von Simone Aughterlony und Jorge León gezeigt wurde. Diese fand im Rahmen der Zürcher Festspiele statt und gliederte sich in drei Teile: Film und Performance im Theaterhaus Gessnerallee, bespielte Installation am folgenden Wochenende in der Villa Tobler. Stockdunkel war es um 19.30 Uhr, weil der Dokumentarfilm von Jorge León, «Vous êtes servis», auf der Leinwand erschien.
Überlebensstrategie oder Suizid
Der Regisseur stellt junge indonesische Frauen ins Zentrum seines Filmes. Diese sind auf Arbeitssuche, denn sie müssen nicht nur ihre Kinder, sondern häufig auch noch ihre Männer durchfüttern, während diese den hart verdienten Lohn ihrer Frauen nicht selten verpfeffern. Die weiblichen Arbeitskräfte hoffen also auf einen Dienstmädchen-Job im asiatischen, arabischen oder europäischen Raum, da ihnen dort ein viel höheres Gehalt winkt als auf indonesischem Boden. Per Vermittler kommen die jungen Damen in eine Art Ausbildungscamp, wo sie die grundlegenden Dinge lernen: Mikrowellen putzen, Windeln wechseln, Betten beziehen. Für diejenigen, die gerne in Taiwan arbeiten möchten, kommen Grundkenntnisse in Mandarin hinzu.
Was den Frauen als gut verdientes Geld versprochen wird, endet nicht selten in einem Überlebenskampf oder im Suizid. Die Misshandlungen, von denen die Frauen in laut vorgelesenen Briefen erzählen, sind beispiellos. Der Terror der Hausherren, nicht selten auch der Hausherrin, unbeschreiblich. Die Frauen essen Dreck, während die Hunde mit frischen Melonen gefüttert werden.
Endstation Dienstmädchen
Die Arbeitstage der Dienstmädchen zählen bis zu 18 Stunden. Sie müssen sich um einen, zwei oder gar drei Haushalte kümmern, daneben den Garten pflegen und das Auto waschen. Bezahlt werden sie kaum, bestraft hingegen häufig. Monatlich reisen geschätzte 35’000 Frauen nach Asien oder in den Mittleren Osten, um als Dienstmädchen zu arbeiten, heisst es im Abspann.
Ohne übertriebene Betonung gelingt es Jorge León, dem Publikum die Tragik dieser jungen Leben näherzubringen. Die Frauen geben sich stark vor der Kamera, man traut ihnen so einiges zu. Fast denkt man, sie würden das alles packen. Doch dann werden die Indonesierinnen für ihre Passfotos abgelichtet und hinter dem aufgezwungenen Lächeln erkennt man erstmals ihre wirklichen Gefühle: Die Angst, die Trauer, die Zermürbtheit. Die rote Schürze signalisiert Gefahr, der rote Hintergrund Bedrohung.
Gewaltsam be-dienen
Nach einer halbstündigen Pause folgt die Bühnenperformance von Simone Aughterlony mit dem Titel «Deserve». Dabei geht Autherlony das Thema «Be-dienen» nochmals von ganz anderen Seiten an. Wer bedient wen, lautet die eingangs gestellte Frage, und wer wird bedient?
Im Laufe der 75-minütigen Performance werden Gegenstände aufgestellt, umgeworfen, zerstört. Es wird aufgeräumt, umgeräumt, weggeräumt. Menschen erzählen haarsträubende Geschichten, Biographien von Dienstmädchen. Es wird gesungen, musiziert, kommentiert. Ein Besen führt ein Gespräch mit einem Abfallsack. Gewalt findet statt, immer und überall: Gewalt an Menschen, Gewalt mit Worten, Gewalt beim Musizieren, Gewalt, die Lärm verursacht, Gewalt, die so geräuschlos ist, dass man sie leicht überhört. Und am Ende tagt das Tribunal – und keiner hört dem anderen zu.
Hinter geschlossenen Haustüren
Schnell wird dem Publikum klar: Sind die Türen erst mal hinter dem Dienstmädchen zugemacht, beginnt der Terror. Das Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnis wird zum Herrschafts- und Machtvervähltnis. Weiter geht es um Machogehabe, um hysterische Frauen und die Frage, ob es eigentlich auch hysterische Männer gibt. Verarbeitet ein Mann seine Gefühle, indem er sich eine Gitarre schnappt und einen Song schreibt? Und verarbeitet ein Dienstmädchen seine Gefühle, indem es sich ein Messer greift und auf die Hausherrin einsticht? Ohne jemals plakativ zu werden, versammelt Aughterlony in ihrer herausragenden Performance unzählige Positionen, Vorwürfe und Gründe für oder gegen die Legitimierung von Dienstmädchen. Leiden sie an der Gesellschaft, oder leidet die Gesellschaft unter ihnen? Und immer wieder: Wer bedient wen? Und wer braucht wen?
«A Man Needs a Maid», schrieb Neil Young 1972, und dieser Song ist es auch, der gesungen wird, als es heisst: «Solo für das Dienstmädchen». Dieses ist müde in seiner roten Schürze, und stellt sich in die Mitte der Bühne, wo es lächelt.