Unterhaltsame Traumfängereien

Die Veranstaltung

Was: Superamas: YOUDREAM
Wo: Theaterhaus Gessnerallee
Wann: 19.01.2011 bis 20.01.2011
Bereich: Performance

Der Autor

Robert Salzer: Jahrgang 1983. Seit 2007 Theater- und Filmkritiken für «students.ch». 2009-2011 Ressortleiter Kultur. Weitere Artikel publizierte er bei «nachtkritik.de», «ensuite», «Akademikerzeitung» und «Stattluft».

Die Kritik

Lektorat: Stefan Schöbi.
Diese Kritik wurde in Auftrag gegeben und bezahlt von: Theaterhaus Gessnerallee (siehe Unabhängigkeit).

Von Robert Salzer, 22.1.2011

Beim Betreten der Halle des Theaterhauses Gessnerallee sieht man als erstes eine grosse weisse Fläche, die etwa so aussieht wie das kleine Eisfeld an Weihnachten im Zürcher Hauptbahnhof. Der Abend beginnt mit der Einspielung eines Filmes auf einer kleinen Leinwand. Es ist eine weitere Episode der Serie, die auch auf der Web-Plattform www.youdream.be zu sehen ist. Auf einem viergeteilten Bild erlebt man vier Europäer, die ihre Träume besprechen und auch sonst noch etwas herumalbern. Die Personen sind schemenhaft gezeichnet: Beispielsweise die etwas schüchterne und in sich gekehrte Dänin, der extrovertierte Italiener, der charmante Franzose und ein Schweizer, der mit seinem Vollbart aussieht wie der leibhaftige Willhelm Tell.

Vorproduzierte Träume auf youtube

Auf dem Flyer von Superamas wird gemutmasst, dass sich die Plattform www.youdream.be vielleicht als einer der letzten Orte herausstelle, an denen noch auf legale Weise die eigene Identität (neu) gestaltet, politische Frustration zum Ausdruck gebracht oder ein Mangel an Nähe kompensiert werden könne. Die Nachtträume der Europäer sind also das Thema und diese sollen Rückschlüsse über die Identität ermöglichen. Die Webseite besteht aus vier Sektionen: Eine beschreibt die Truppe Superamas, die den Abend konzipiert haben, auf der zweiten prangen die Logos der Sponsoren. Auf der dritten Seite sieht man kurze Videoeinspielungen, die innerhalb der Vorstellungen selbst entstehen – im Laufe der Tour kommen auf diese Weise ständig neue Episoden dazu. Die letzte Seite schliesslich bildet das Kernstück: Hier können BesucherInnen der Website via youtube eigene Träume beschreiben und hochladen. Im Moment werden dort gerade mal elf Videos dargeboten, es besteht hier also noch Potential für vorproduzierte Träume, wenn die Plattform dereinst ihren Zweck erfüllen soll.

Von der Improvisation ins Multimediale

Nach der Filmprojektion folgt der spannendste Abschnitt des Abends: Das Publikum darf nun von seinen eigenen Träumen erzählen und die Schauspieler verarbeiten diese zu kurzen Szenen. «Superamas make your dreams come true», lautet das Motto. Die Improvisationen sind sehr kurz und deuten die Träume fantasievoll aus – die Träume einfach Realität werden zu lassen, ist bei den meist absurden Inhalten ohnehin schwierig.

Nach diesem Kurzseminar für Traumdeuter folgt das Finale, welches stark auf «Multimedialität» setzt: Erst wird in einem Film ein Traum nacherzählt, der danach auf der Bühne reflektiert bzw. assoziativ umgesetzt wird. Dabei sparen Superamas nicht an effektvollen technischen Spielereien. Zum Beispiel gibt es einen herrlichen Bühnenregen. Gerade dies stimmt aber auch nachdenklich: Technisch ist der Abend perfekt und gute Unterhaltung garantiert; wenn es aber um Träume und deren Interpretation geht, hätte man sich mehr Gedankenanstösse für den Nachhauseweg gewünscht. Denn die Träume werden nicht reflektiert oder nach ihrem Sinn befragt. Schon gar nicht erhält der Besucher den versprochenen Aufschluss über die europäische Identität. Beim Verlassen des Theaters fühle ich mich deshalb wie nach einem unterhaltsamen Actionfilm. Just in diesem Moment kommt mir allerdings ein Traum aus der eigenen Kindheit wieder in den Sinn. Ein schöner Nebeneffekt.

Weiterlesen: