Hommage an zwei verkannte Frauen

Die Veranstaltung

Was: Podium Hélène Bessette – die grosse Unbekannte
Wo: Literaturhaus Zürich
Wann: 17.01.2011
Bereich: Literatur

Der Autor

Lukas Meyer: Jahrgang 1983, studierte Philosophie, Geschichte und Literatur und arbeitet als freier Journalist und Texter in Zürich.

Die Kritik

Lektorat: Fabienne Schmuki.
Diese Kritik wurde in Auftrag gegeben und bezahlt von: Literaturhaus Zürich (siehe Unabhängigkeit).

Von Lukas Meyer, 19.1.2011

Im letzten Herbst sorgte der Secession Verlag aus Zürich und Berlin mit seinem ersten Programm für Aufsehen. Darin waren neben einem Debütanten drei Wiederentdeckungen zu finden, darunter die lange vergessene französische Schriftstellerin Hélène Bessette. Sie war in den 1950er-Jahren eine gefeierte Autorin in Frankreich, konnte aber kein Buch mehr veröffentlichen, nachdem sie durch ihren Roman Gallimard in finanzielle Schwierigkeiten geriet. Der Roman „Ida oder das Delirium“ von 1973 blieb ihr letztes Werk, und trotz der Bewunderung von Kolleginnen wie Simone de Beauvoir oder Marguerite Duras geriet sie in Vergessenheit.

Vor einigen Jahren wurden jedoch einige ihrer Bücher neu aufgelegt und wiederentdeckt. Die erste deutsche Übersetzung von „Ida oder das Delirium“ wurde von Christian Ruzicska vom Secession Verlag höchstpersönlich besorgt und beworben. Zusammen mit Barbara Vinken, Professorin für Allgemeine und Französische Literatur an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, stellte er das Buch im Literaturhaus Zürich vor.

Auf Entdeckungsreise

Im gut gefüllten Saal führten die beiden gewandt und kenntnisreich durch den Abend. Ihr improvisierter Plan ging auf und wirkte selten chaotisch. Subtil führten sie das Publikum an das Dienstmädchen Ida und das Verhältnis zu ihren Herrschaften heran. Diskussion und Lesung wechselten sich ab.

Ruzicska las drei Passagen aus dem Roman vor, der sehr dicht und poetisch ist und dadurch nicht einfach zugänglich. Die These des Übersetzers lautete dementsprechend, dass Bessette zu modern war für ihre Zeit und darum in Vergessenheit geriet. Diskussion und Interpretation waren auf sehr hohem, manchmal vielleicht zu akademischem Niveau, ergaben aber trotzdem eine interessante Annäherung an dieses Werk und seine Autorin.

Auch das Publikum beteiligte sich engagiert mit Voten, obwohl die meisten das Buch noch nicht gelesen hatten und die Autorin vor diesem Abend überhaupt nicht kannten. Vor allem das Verhältnis der Autorin zu ihrer Protagonistin schient zu interessieren und auch, wieviel aus ihrer eigenen Biographie der verkannten Künstlerin darin steckte.

Ansteckende Begeisterung

Nach dem Anlass stürmten die Leute den Büchertisch, wo die Buchhandlung Romanica nicht nur die Übersetzung aufliegen hatte, sondern auch die französischen Originale. Die ansteckende Begeisterung des Verlegers für „seine“ Autorin übertrug sich auf das Publikum. Man war Zeuge einer schönen Hommage an zwei Frauen mit nicht leichten Lebenswegen, die wiederentdeckte französische Autorin Hélène Bessette und ihre Figur, das Dienstmädchen Ida. Christian Ruzicska und Barbara Vinken sorgten dafür, dass die Zuhörer nicht erst auf Umwegen zu Hélène Bessette fanden, wie es den meisten geht.

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