Das „bedingungslose Grundeinkommen“ – eine Chance für Kunst und Wissenschaft?

Die Veranstaltung

Was: Podium: Förderung von Wissenschaft und Kunst — durch bedingungsloses Grundeinkommen. Ein Plädoyer.
Wo: Theater der Künste, Bühne A
Wann: 13.01.2011
Bereich: Bildende Kunst

Der Autor

Lukas Meyer: Jahrgang 1983, studierte Philosophie, Geschichte und Literatur und arbeitet als freier Journalist und Texter in Zürich.

Die Kritik

Lektorat: Christian Felix.
Diese Kritik wurde in Auftrag gegeben und bezahlt von: Zürcher Hochschule der Künste (siehe Unabhängigkeit).

Von Lukas Meyer, 15.1.2011

Über gewisse Dinge kann man nur im Konjunktiv reden. So auch über die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens, das jedem Menschen von Geburt zustehen würde. Dieses Einkommen soll zu einem Leben jenseits der Armutsgrenze reichen und es jeder und jedem ermöglichen, das Leben frei zu gestalten – was gerade für Kulturschaffende viel versprechend klingt. Im Rahmen des «Forums – das offene ZHdK-Gespräch», dem letzten unter Leitung des «Transdisziplinären Ateliers», stellte Dr. Sascha Liebermann aus Bochum diese Idee vor.

Positive Auswirkungen

Liebermann ist studierter Philosoph und Soziologe und forscht vor allem im Bereich der Arbeitsverhältnisse. Er ist Mitbegründer der Initiative «Freiheit statt Vollbeschäftigung», die den Ansatz des bedingungslosen Grundeinkommens in Deutschland in die Debatte einbringt. Dass diese Idee nicht nur eine sozialpolitische Reform wäre, sondern weit reichende Konsequenzen für die ganze Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung hätte, wurde schnell klar.

Liebermann hielt seinen einleitenden Vortrag kurz. Man merkte, dass er schon oft über das Thema gesprochen hatte. Frei und anschaulich erläuterte er seine Gedanken. Den Veranstaltungsort berücksichtigend sprach er vor allem über die Konsequenzen für Wissenschaft und Kunst. In diesem Bereich Tätige könnten sich ohne Sorgen über zukünftige Anstellungen oder Aufträge ihren Projekten widmen und, so die These, innovativer und effizienter arbeiten.

Viele Einwände

In der anschliessenden Diskussion tauchten viele kritische, aber meist wohlwollende Fragen auf. Das Gespräch schweifte von Finanzierung und Umsetzung bald ab auf philosophische Aspekte. Strittig waren vor allem die Formen der Anerkennung kultureller Leistungen sowie das zugrunde liegende Menschenbild. Einige Stimmen wiesen auf Gefahren hin, zum Beispiel auf die Gratiskultur im Internet, die sich nachteilig auf die Bereitschaft auswirkt, für Kunst und Kultur zu bezahlen. Der Referent verteidigte seine Idee standhaft. Er wich einigen Einwänden aber aus und konnte nicht alle Zweifel ausräumen.

Manche Zuhörer waren von Anfang gegen Liebermanns Forderung, wie etwa ein Herr in der zweiten Reihe. Er schüttelt andauernd den Kopf und murmelte: «So ein Quatsch!» Andere zeigten sich offener und fanden interessante Ansätze in Liebermanns Konzept. Niemand wagte jedoch eine Prognose, wie sich dessen Umsetzung auswirken würde. Viele waren der Meinung, dass sich am unbefriedigenden Status quo für Künstler, Wissenschaftler und Freischaffende nicht viel ändern würde, weil es für sie sogar schwieriger würde als heute, über das Grundeinkommen hinaus Geld zu verdienen.

Eine Utopie

Auch nach diesem Abend mag die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens vielen als Utopie erscheinen. Mit einem solchen Einkommen würden einige Probleme sicherlich gelöst. Dafür entständen ganz neue Schwierigkeiten. Darüber zu diskutieren ist des hypothetischen Charakters wegen schwierig. Viele Fragen blieben denn auch offen. Die Einführung eines solchen Grundeinkommens scheint jedenfalls noch in weiter Ferne.

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