Von innen und aussen
Die Veranstaltung
Was: Insider, Outsider - Kritik auf dem Prüfstand. «Come to Daddy», F. Profos
Wo: Theater der Künste, Bühne B
Wann: 31.03.2011
Bereiche: Musik, Performance
Der Autor
Lukas Meyer: Jahrgang 1983, studierte Philosophie, Geschichte und Literatur und arbeitet als freier Journalist und Texter in Zürich.
Die Kritik
Lektorat: Fabienne Schmuki.
Diese Kritik wurde in Auftrag gegeben und bezahlt von: Zürcher Hochschule der Künste (siehe Unabhängigkeit).
Von Lukas Meyer, 2.4.2011
Die Bühne B des Theaters der Künste wurde für einen Abend zum Versuchslabor. Wie Corina Caduff einleitend erklärte, wurde eine Besprechung einer ähnlichen Veranstaltung von kulturkritik.ch (vom selben Autor) ernst genommen und umgesetzt. Damals wurde moniert, dass – etwas überspitzt ausgedrückt – die Gesprächsteilnehmer aneinander vorbei geredet hätten. Dies wollte man vermeiden, indem man die Diskussion in zwei Runden aufteilte und „Insider“ und „Outsider“ nacheinander über ein Kunstwerk reden liess. Soweit die vielversprechende Versuchsanordnung.
Zur Aufführung kam eine Komposition/Installation mit dem Titel „Come to Daddy“ des Komponisten und ZHdK-Dozenten Felix Profos. Darin spielen zwei Musikerinnen, weit auseinander auf der grossen Bühne, an Geige und Keyboard ein minimalistisches Stück, das ergänzt wird durch eine Puppe. Diese sitzt vor einem flackernden Fernseher, dessen Bildschirm das Publikum nicht sieht. Ausserdem kommen von der Mitte Geräusche, die mal an einen scheppernden Electro-Beat, mal an ein Maschinengewehr erinnern. Der Rezensent beschreibt diese elf Minuten währende „Performance“ übrigens als Laie.
Zwei Runden
In der ersten Runde kamen die „Insider“ zu Wort, nämlich die ZHdK-Dozenten Felix Baumann, Matthias Müller und Isabel Mundry, allesamt Musiker und Komponisten. Sie sprachen über ihre Eindrücke, die teils sehr unterschiedlich waren. Sie bedienten sich dabei nicht eines sehr technischen Vokabulars – nur selten tauchten Fachbegriffe wie „Dominantseptakkord“ auf. Ihre Diskussion war gut verständlich und nachvollziehbar. Sie besprachen vor allem die Musik und liessen die Installation beiseite. Alle drei betonten aber, dass es auch für sie als Experten schwierig sei, nach einem ersten Hören sofort über ein Stück zu urteilen und darüber zu reden – man würde es auch schon ganz anders anhören, mit einem „analytischen Druck“, wie Mundry sagte.
In der zweiten Runde redeten „Outsider“ – Katharina Tietze, Mira Sack und Rachel Mader ZHdK-Mitarbeiterinnen in Design, Theater und Kunstgeschichte – über ihre Eindrücke. Man muss erwähnen, dass diese bei der ersten Runde nicht dabei und also davon unbeeinflusst waren. Sie redeten ganz anders darüber, brachten aber teilweise ähnliche Eindrücke zur Sprache. Es ging weniger um die Musik, sondern eher um die visuellen Komponenten. Sie achteten auf Details, welche die Musiker gar nicht bemerkten, wie zum Beispiel die Tatsache, dass das Stück von zwei Musikerinnen dargeboten wurde, und was das mit dem Titel des Stücks „Come to Daddy“ zu tun haben könnte.
Zusammenführung
In einer Abschlussrunde sassen alle gemeinsam vorne und auch das Publikum meldete sich zu Wort. Die Eindrücke waren teils sehr ähnlich, teils verschieden, auch innerhalb der beiden Gruppen. Spannend war vor allem, wie ähnliche Eindrücke von den zwei Gruppen ganz verschieden beschrieben wurden. Man war sich darin einig, dass einer allein nur eine oder wenige Perspektiven und Wahrnehmungen einnehmen und haben kann und dass erst im Dialog mit anderen – ob vom Fach oder nicht vom Fach – die „eigenen Ausblendungen“ auffallen. Ob der Fachdiskurs überlegen ist, ist schwer zu sagen; diese Diskussion legte nahe, dass auch Anstösse von aussen sehr wertvoll und sogar nötig sind, dass es eine „additive Wahrnehmung“ braucht.
Abschliessend kann man sagen, dass das Experiment gelungen ist. Der „Schritt zurück“, wie Corina Caduff das Separieren in Experten und Nicht-Experten nannte, erwies sich als Schritt in die richtige Richtung. Dies müsste vertieft und nach aussen getragen werden. Es waren knapp dreissig Leute anwesend, und ein Drittel davon stand oder sass im Verlaufe des Abends auf der Bühne. Solche Diskussionen wären nicht nur für ZHdK-Dozenten und ihre Schüler interessant, sondern für alle Studenten und allgemein für Kunstinteressierte. Vielleicht würde auch der Einbezug eines richtigen „Outsiders“ – jemanden ausserhalb der ZHdK – nochmals ganz andere Anregungen bringen.