SoundRelistened

Die Veranstaltung
Was: Hark! RequiemReloaded
Wo: Theater Spektakel, Landiwiese openair
Wann: 21.08.2011
Bereiche: Musik, Performance, Theater, Theater Spektakel 2011
Der Autor
Moritz Weber: Jahrgang 1976, studierte Klavier an den Musikhochschulen in Zürich und München sowie Kulturpublizistik an der ZHdK. Er lebt als freischaffender Konzertpianist, Kulturjournalist und Klavierpädagoge in Zürich.
Die Kritik
Lektorat: Gabriele Spiller.
Diese Kritik wurde in Auftrag gegeben und bezahlt von: Zürcher Theater Spektakel (siehe Unabhängigkeit).
Von Moritz Weber, 22.8.2011
Wo genau würde die Aufführung des Vokalensembles «Hark!» stattfinden? Wie wird diese «performative Klanginstallation» ablaufen? Wann kommt nun endlich Mozarts Requiem? Diese Fragen stellten sich die Besucher, welche sich zögernd der Landiwiese näherten.
«RequiemReloaded» ist die neueste Produktion von «Hark!», einem Laien-Vokalensemble unter der musikalischen Leitung von Beat Vögele. «Hark!» ist ein altenglischer Ausdruck und bedeutet: «Hör hin!» Das Ensemble löste den durch seinen Namen implizierten Anspruch schon zu Beginn ein: Alle Anwesenden lauschten gespannt und mit gespitzten Ohren, ob sie in der brütenden Hitze Mozart zu hören bekommen würden.
Zuerst war im geräuschintensiven Soundscape des Theater Spektakels nur ein leiser Klangteppich aus elektronischen Sphärenklängen wahrnehmbar. Wie im Selbstgespräch begannen einzelne anwesende Personen plötzlich zu flüstern. Die Spannung stieg. Dann liess der Audiodesigner Tomek Kolczynski am Mischpult die ersten Takte des Introitus in einer elektronischen Marimbaversion erklingen und sofort war klar, dass die Aufführung schon längst in vollem Gange war.
Mozart als Keimzelle für Geräuschmusik
Mozarts Werk lieferte die musikalischen Motive und Textausschnitte für die fantasievolle Durchführung. Die berühmtesten Ausschnitte aus dem Requiem sorgten für den Wiedererkennungseffekt, und sie führten durch ihre Dramatik zur gewünschten Irritation des Zuhörers. Die Kyrie-Fuge, unterlegt mit einem Technobeat, wirkte dabei allerdings plump, und stand in krassem Gegensatz zum differenzierten Einstieg und den übrigen, viel raffinierten, Klangeffekten, welche noch folgen sollten.
So liess der Audiodesigner Kolczynski über Mozarts Basslinien Worte wie “Rex” oder “Salva me” erklingen, und diese wurden sofort echoartig von den Sängern aufgenommen und kommentiert. Oder aber Kolczynski fror einen gesungenen Akkord ein und liess ihn im Raum stehen, quasi als klangliche Fotografie. Eine wohlige Orientierungslosigkeit stellte sich ein, denn man wusste plötzlich nicht mehr, woher die Klänge kamen, und ob sie akustisch oder elektronisch erzeugt worden waren. Es entstanden bizarre, aber fantastische Klangeffekte, welche sich je nach Sitz- oder Stehposition des Zuhörers intensiver mit dem Soundscape der Landiwiese vermischten oder sich davon abhoben.
Die Sänger bewegten sich dabei individuell oder in Reihenformationen zwischen den Anwesenden. Die zusätzliche Bewegung der flanierenden Spektakelbesucher und Badegäste liess vergessen, dass dies eine Kunstaufführung war. Musik, elektronische Klänge und die von Serge Honegger inszenierte Bewegung verschmolzen zeitweise gänzlich mit der Umgebung.
So wie diese akustische Intervention gekommen war, so verschwand sie auch. Immer mehr Sänger entfernten sich diskret von der Wiese, und während die letzten gesungenen und gepfiffenen Motivfetzen aus dem Lacrimosa langsam verklangen, mischte sich auch Kolczynski wieder unter das Publikum. Der Nachhall dauerte noch mehrere Minuten, bis er sich vollständig in der Klangumgebung auflöste. Der Zuhörer wurde mit sensibilisierten Ohren entlassen, und horchte nach dem Besuch dieser Vorstellung umso intensiver seiner akustischen Umwelt nach. Der abschliessende Applaus war dabei eher störend, obwohl natürlich hochverdient.