Nachdenken über den Tod

Die Veranstaltung

Was: Ensemble Antipodes - Dekalog 7
Wo: Walcheturm
Wann: 23.01.2011
Bereiche: Musik, Tanz

Der Autor

Moritz Weber: Jahrgang 1976, studierte Klavier an den Musikhochschulen in Zürich und München sowie Kulturpublizistik an der ZHdK. Er lebt als freischaffender Konzertpianist, Kulturjournalist und Klavierpädagoge in Zürich.

Die Kritik

Lektorat: Fabienne Schmuki.
Diese Kritik wurde in Auftrag gegeben und bezahlt von: Zürcher Hochschule der Künste (siehe Unabhängigkeit).

Von Moritz Weber, 25.1.2011

Nachdenken über den Tod

Im intimen Ambiente des Kunstraums Walcheturm in Zürich präsentierten Mitglieder des Ensemble Antipodes ein weiteres Programm ihrer Konzertreihe Dekalog, einem Konzertzyklus, der sich mit den biblischen zehn Geboten befasst. Aus der Auseinandersetzung mit dem 5. Gebot entstand ein choreographierter Streichquartettabend mit dem Titel „Requiem … du sollst nicht töten …“. Entsprechend düster, leidenschaftlich und unerbittlich waren die ausgewählten Werke.

Die vier Musiker eröffneten mit dem 5. Quartett von Giacinto Scelsi, einem erschreckenden Stück von bohrender Intensität. Ein Wagnis, es direkt an den Anfang zu setzen, denn das Publikum schien sich noch nicht „warmgehört“ zu haben. Dennoch konnte das Ensemble seine Reflexionen über den Tod gut vermitteln. Die schwer zugängliche Musik wurde angereichert durch eine Choreographie von Parvin Hadinia. Diese schien sich im Metrum der fast schreienden Akkorde Scelsis zu bewegen und den Tod in ihrem Nacken zu spüren.

Transdisziplinäres Spektakel

Auch in der Darbietung des 15. Streichquartetts von Dmitri Schostakowitsch spielte die inszenierte Bewegung eine zentrale Rolle. Hier wurden sowohl die Musik als auch die Thematik des Todes und der Akt des Sterbens sichtbar gemacht. Parvin Hadinia bezog die Musiker in die Choreographie mit ein; sie verführte sie quasi am Tanz des Todes teilzunehmen. Gleichzeitig wurde vom ganzen Ensemble auf feinsinnige, gestische Art und Weise auf Details der Musik hingewiesen. Dabei entstand ein eindrückliches Ganzes, welches die Grenzen zwischen den verschiedenen Kunstsparten vergessen liess. Die Zuhörer und Zuschauer wurden mittels symbolischen Andeutungen zum Denken angeregt und erlebten ein Miteinander von Musik, Bewegung und Videokunst. Viele Fragen, welche jeder für sich selber beantworten konnte oder auch nicht, wurden in den Raum gestellt: Fragen über Vergänglichkeit, Zerstörung, Resignation, Ohnmacht, Auflösung, Leben und Sterben.

Es war bemerkenswert, wie die Musiker trotz der vielfältigen choreographischen Aufgaben die anspruchsvolle Partitur Schostakowitschs zum Klingen bringen konnten. Die Intentionen des Komponisten wurden sogar durch die sorgfältig einstudierten und durchdachten Bewegungsabläufe verstärkt.

Mendelssohn im Abseits

Einzig das f-moll Quartett von Felix Mendelssohn wollte nicht richtig ins Gesamtbild des Abends passen: Einerseits war es als einziges Werk von keinerlei performativer Aktion begeleitet, andererseits stand es zwischen den zwei extremen Stücken von Scelsi und Schostakowitsch auch rein stilistisch eigenartig im Abseits. In gewisser Weise schienen das auch die Musiker zu spüren, die sich nur in diesem Werk nicht richtig freizuspielen vermochten.

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