Dem Reichtum der Vielfalt gehuldigt

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Die Veranstaltung

Was: DEZA Podium: The Arts and Social Change
Wo: Theater Spektakel, Club
Wann: 27.08.2011
Bereiche: Bildende Kunst, Film+Fotografie, Literatur, Performance, Theater, Theater Spektakel 2011

Die Autorin

Elena Ibello: 1982 geboren, seit 2003 freie Journalistin. Im Master-Studium Art Education, publizieren&vermitteln, an der ZHdK.

Die Kritik

Lektorat: Lukas Meyer.
Diese Kritik wurde in Auftrag gegeben und bezahlt von: Zürcher Theater Spektakel (siehe Unabhängigkeit).

Von Elena Ibello, 28.8.2011

«Die Kunst spielt eine Rolle in gesellschaftlichen Entwicklungen», fasst der Moderator Felix Schneider nach kurzer Zeit schon den ersten Konsens zusammen. An der DEZA-Podiumsdiskussion im Club am Theater Spektakel diskutierten am Samstag darüber Künstlerinnen und Künstler aus verschiedenen afrikanischen Ländern. Und der Konsens über das «Ob» bei der Frage nach der Rolle der Kunst bei gesellschaftlichen und politischen Veränderungen ist schnell gefunden. Über das Gewicht der Rolle, die die Kunst bei den aktuellen Umwälzungen in der arabischen Welt hatte jedoch, darüber herrscht zumindest zwischen dem Ägypter Chalid-al Chamissi, Politologe und Schriftsteller, und seiner Heimatgenossin Laila Soliman, Regisseurin, eher Dissens.

«Die Kunst ist der Motor für die Umwälzungen in Ägypten. Die kulturelle Revolution hat in der Kunstszene schon um 2003 begonnen und die Kunst war es auch, die die Leute schlussendlich auf die Strasse getrieben hat», sagt Chalid-al Chamissi. Die Veränderung, so der Schriftsteller, sei schon seit Langem in den Regalen der Buch- und CD-Läden Ägyptens erkennbar gewesen. «Verglichen mit vor zehn, zwanzig, dreissig oder gar vierzig Jahren fand hier eine regelrechte Revolution statt!» Er ist überzeugt, der Wandel finde selbstverständlich im Sozialen, Politischen und Ökonomischen statt, doch «es ist ganz klar die Kunst, die es schafft, den Unterschied zu machen.»

Unzählige Faktoren

Laila Soliman hingegen ruft zu etwas Bescheidenheit auf: «Wir Künstler denken immer, wir seien die Speerspitze solcher Entwicklungen und würden allen voran gehen. Doch das ist ein bisschen eine hochmütige Vorstellung.» Zu den Entwicklungen – gerade in Ägypten – hätten so viele verschieden Faktoren beigetragen wie die Medien, allen voran die Sozialen Netzwerke im Internet, die globale Entwicklung und vieles mehr. Da sei die Kunst nur ein kleiner von ganz vielen Faktoren. Was die Leute am Schluss wirklich dazu gebracht hätte, auf die Strasse zu gehen, sei das Gefühl, genug von allem zu haben, der Drang, sich ein Ventil zu verschaffen. Darum habe sie sich für ihre aktuelle Produktion zum Thema auch für den Titel «Lessons in Revolting» entschieden (vom 29. – 31.8. am Theater Spektakel zu sehen).

«Afrika ist nur ein Teil meiner Identität»

Bei der Umsetzung gesellschaftlicher und politischer Themen in künstlerischer Form stellt sich stets auch die Frage nach dem Umgang mit der Vergangenheit. Denn Umwälzungen finden vor dem Hintergrund der Geschichte statt. Die Frage, ob die Kunst auch ein «kollektives Gedächtnis» zu pflegen und zu füttern hat, führte am DEZA-Podium schnell zum Thema Herkunft und Identität. Zwingt die Betroffenheit durch die afrikanische Volkszugehörigkeit die Künstlerinnen und Künstler dazu, entsprechend ihre Themen zu wählen? «Die Identität einer Person lässt sich nicht allein mit Blick auf ihre Wurzeln definieren», sagt der Südafrikaner Gregory Maqoma, der mit «Beautiful Me» die Identität zu seinem Motiv macht (am 28.8. am Theater Spektakel). «Ich bin Afrikaner, ja, aber ich lehne es ab, als Repräsentant ganz Afrikas gesehen zu werden oder gar aufzutreten. Allein schon deshalb, weil Afrika dazu viel zu vielfältig ist.»

Auch Fatou Diome aus Senegal und Frankreich meint: «Nur weil ich schwarz und Schriftstellerin bin, kann ich nicht alles Elend in Afrika lindern.» Und sie müsse auch nicht einfach aufgrund ihrer Wurzeln über Afrika und seine Probleme schreiben. Auch wenn sie sich immer wieder der Diskriminierung widme. «Afrika ist nur ein Teil der ganzen Welt und nur ein Teil meiner Identität.» Der Tunesier Fadhel Jaibi, Regisseur, Filmemacher und Autor, stimmt zu und sagt: «Es ist nicht alles gut an einer Kultur. Man muss auswählen, was davon man leben will und was nicht. Und wenn man in verschiedenen Kulturen lebt, nimmt man das Gute von ein jeder.»

Die Welt ist mannigfaltig

Die Vielfalt der Welt, der Gesellschaften und Identitäten ist die grosse Thematik, die bei der Diskussion immer und immer wieder zur Sprache kommt. Sei es, wenn Chalid-al Chamissi beschreibt, wie die Bürger und Bürgerinnen Ägyptens auf der Strasse ihre Botschaften künstlerisch darstellten, sei es bei der Frage nach den eigenen Wurzeln oder der Wahl der Medien und Mittel in ihrer künstlerischen Arbeit. Und auch bei der Frage Felix Schneiders, ob man denn nun aus den arabischen Ländern eine Einheit machen soll. Fadhel Jaibi sagt dazu: «Die Länder zu vereinen würde heissen, aus allen Eins zu machen. Eine Zahl, die ich grundsätzlich ablehne.»

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