Wundertüte Helfried

Die Veranstaltung
Was: Christian Hölbling alias Helfried: Die grosse Helfried‐Gala
Wo: Hochhaus, Limmatplatz
Wann: 04.11.2011 bis 05.11.2011
Bereiche: Performance, Theater
Der Autor
Moritz Weber: Jahrgang 1976, studierte Klavier an den Musikhochschulen in Zürich und München sowie Kulturpublizistik an der ZHdK. Er lebt als freischaffender Konzertpianist, Kulturjournalist und Klavierpädagoge in Zürich.
Die Kritik
Lektorat: Lukas Meyer.
Diese Kritik wurde in Auftrag gegeben und bezahlt von: Im Hochhaus (siehe Unabhängigkeit).
Von Moritz Weber, 5.11.2011
Helfried schaut zwar unscheinbar und staubtrocken aus, es steckt aber so einiges in ihm. Das sagt zumindest er von sich selber, doch ganz glauben mag man ihm das nicht. Er hat auf jeden Fall klare und strenge Ansichten. Deshalb gab er am gestrigen, fast ausverkauften Abend «Im Hochhaus», der Kleinkunstbühne des Migros-Kulturprozent, erst einmal beckmesserisch die Regeln fürs Publikum durch. Keine klingelnden Natels, keine Zwischenrufe etc., damit die Doppelstunde, wie er seinen Gala-Abend nennt, auch ja nicht gestört werde.
Aber auch die lärmigsten Zwischenfälle hätten Helfried alias Christian Hölbling sicher nicht aus dem Konzept gebracht. Sein 10-Jahres Jubiläumsprogramm «Die grosse Helfried-Gala» ist bis ins Kleinste durchkomponiert. Es enthält die besten Nummern Helfrieds und seiner Tante Hedwig, sowie die des Entertainers Gerd Schuster und ist ein Feuerwerk kabarettistischer Kunst.
Detailversessen
Mit einer unglaublichen Akribie gestaltet der Österreicher Hölbling seine Show und Charaktere. Da sitzt einfach alles: Der schlecht sitzende, braune (auch politisch zu verstehen!) Anzug Helfrieds oder sein bis ins letzte Schnalzgeräusch ausgeloteter österreichischer Akzent mit den genüsslich herausgewürgten, kehligen Konsonanten.
Neben der äusserlichen Gestaltung sind die Figuren auch charakterlich eindrücklich akkurat gezeichnet. Tante Hedwig lässt trotz ihrer vordergründigen Prüderie keinen zweideutig lasziven Schlenker aus und Helfrieds fieser Sarkasmus zeigt sich in einem verschmitzten Grinsen.
Zurück zur Langsamkeit
Wer temporeiche Comedy-Abende liebt, ist hier fehl am Platze. Im Gegensatz zu den maschinengewehrartigen Wortkaskaden einiger Stand-up-Comedians setzt Hölbling auf Langsamkeit. Genüsslich lange baut er die Pointen auf, und konstruiert mit Feinheiten in Sprache, Gestik und Mimik grosse Spannungsbögen. So blickt man beispielsweise minutenlang gebannt auf das Martiniglas von Gerd Schuster, aus welchem bei jeder Bewegung ein Schluck auf den Boden zu schwappen droht. Oder aber Helfrieds fast unerträglich langsame und harzige Ausdrucksweise, die mit überraschenden sprachlichen Wendungen verblüfft.
Auch in den vielseitigen musikalischen Einlagen überzeugt Christian Hölbling – sei es als begnadeter Falsettsänger in höchsten Tönen, als nuschelnder Entertainer oder als präzisester Luftschlagzeug-Spieler. Sowohl seine Gesangstechnik, als auch die liebevollen und witzig differenzierten Begleitmusiken waren ein Hörgenuss. Insgesamt ein Muss für Freunde des feinsinnigen Humors.