Grosse Ideen auf kleinstem Raum

Die Veranstaltung

Was: 77 bearbeitete «Universalkästen»
Wo: Kunstraum R57
Wann: 24.06.2011 bis 15.07.2011
Bereich: Bildende Kunst

Die Autorin

Fabienne Schmuki: Jahrgang 1983. Absolventin des Masterstudiengangs Kulturvermittlung, «publizieren & vermitteln» an der ZHdK. Co-Geschäftsführung eines Schweizer Independent Musikvertriebs; Promotion & Kommunikation. Freelancerin für diverse Print-/Onlinemedien.

Die Kritik

Lektorat: Gabriele Spiller.
Diese Kritik wurde in Auftrag gegeben und bezahlt von: KunstRaum R57 (siehe Unabhängigkeit).

Von Fabienne Schmuki, 26.6.2011

Der Zürcher Thomas Howeg ist Verleger – und noch viel mehr als das: Seit er mit der Fluxus-Bewegung in Berührung kam, lässt sie ihn nicht mehr los. So kommt es, dass der Büchernarr bereits in seinem 21. Lebensjahr die «Edition Howeg» gründete, und ein persönlicher Bekannter von Wolf Vostell und Joseph Beuys war. Dementsprechend benutzte Howeg seine Buchhandlung vor ihrer Schliessung eher als Werkstatt, denn als Verkaufsladen.

Mitte der 90er-Jahre hatte Thomas Howeg eine Idee, die zur Zeit im KunstRaum R57 neue Form annimmt. Das heisst: Formen. Denn die Rede ist von gesamthaft 81 Objekten, die in Zürichs kleinster Galerie von gerade mal 18 Quadratmetern ausgestellt sind. Die Ausstellung, die ursprünglich «77 Universalkästen» hiess und jetzt, dank fleissiger Teilnahme einiger R57-Künstlerinnen und Künstler, auf den allgemeinen Titel «Universalkästen» gekürzt worden ist, widmet sich einem auf den ersten Blick äusserst unspektakulären Objekt.

Nur eine Holzkiste – oder etwa nicht?

Nomen est omen in dieser Ausstellung, denn was der Besucher zu Gesicht bekommt, sind natürlich Universalkästen. Genauer gesagt handelt es sich um den sogenannten «Boesner Universalkasten», einen standardisierten Malutensilienbehälter aus Buchenholz (28 x 20,5 x 2,8 cm). Die ersten Universalkästen in Howegs Werk wurden von befreundeten Künstlern gestaltet.

Mittlerweile ist die «Universalkästen»-Sammlung auf ca. 120 Objekte angewachsen. Die im KunstRaum R57 gezeigte «Schweizer Auswahl» wurde von 27 Künstlern aus dem R57 selber ergänzt. Und weder die neuen, noch die ursprünglichen Werke leiden an Phantasielosigkeit. Es wurde nicht an Materialien oder Ideen gespart. Die Kästen sind meist mehr als blosse Malutensilienbehälter: Sie sind Spiegel der Zeit, Geschichtsbücher und Witzerzähler. Sie sind Flimmerkiste, Traumfänger, leer oder ohne Boden.

Zeig mir deinen Kasten, ich zeig’ dir meinen

Während Urs Hanselmann beim Betrachten des Universalkastens an ein Fenster gedacht haben muss, und kurzerhand rote Fensterläden in den Kasten gebastelt hat, hat Thomas Müllenbach den ursprünglichen Inhalt des Kastens, die Farbtuben, geleert und wieder reingelegt. Der Spielwürfel taucht in diversen Formen auf, ebenso Bilder der Weltgeschichte. Ursula Hirsch füllt ihren Kasten mit Fotografien von Atompilzen oder anderen riesigen Rauchwolken – Theres Wey zeigt zeigt ein Foto der Berliner Mauer, einmal schwarz/weiss, einmal sepia.

Ob gezeichnet, geklebt, gebastelt oder (wie bei Stefan Rohner) in einen kleinen Fernseher verwandelt, die Kästen sind sorgfältig gestaltet und eine wahre Fundgrube. Ob sie einen zum Schmunzeln bringen oder zum Nachdenken, jeder Kasten scheint seinen eigenen Zweck zu haben und findet darin seine Berechtigung. Dass die Arbeiten namenlos sind, ist inspirierend. Der kleine Raum R57 ist mit den 81 Objekten so richtig schön aufgefüllt – aber dank ihrer Ähnlichkeit und mehrheitlicher Schlichtheit lässt es sich auf den 18 Quadratmetern dennoch gut verweilen, und die Gedanken haben Zeit für eine kleine Reise. Die Ausstellung wurde geplant und kuratiert vom R57-Betreiber Ruedi Staub.

Das Maximum rausgeholt

Der gelernte Anstreicher Thomas Howeg hat häufig selber gesetzt, gebunden oder kopiert, wenn es um die Herstellung der literarischen Kunstwerke der Edition Howeg ging. Diesmal hielt sich der Kopf der Aktion allerdings im Hintergrund. An seinem oft vermuteten Einzelkämpfer-Image kann es nicht liegen, denn Howeg äusserte sich in einem Interview folgendermassen: «Als Einzelkämpfer verstehe ich mich nicht. Ich mache meine Sachen, weil ich sie liebe, überlege mir, wie ich’s am besten anpacke, und schaue dann, dass sie erscheinen und rauskommen. Mehr liegt nicht drin.» Erschienen und herausgekommen ist die Idee in der kleinsten Galerie Zürichs – nein, mehr liegt da wortwörtlich nicht drin.


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