Ich falle und falle auf die Erde zu

Die Veranstaltung

Was: To the Dark Side of the Moon
Wo: Theater Rigiblick
Wann: 12.03.2010 bis 12.06.2010
Bereich: Theater

Der Autor

Matthias Nawrat: Jahrgang 1979, studiert Literarisches Schreiben am Schweizerischen Literaturinstitut in Biel. Seit mehr als zehn Jahren schreibt er Prosa. Als Schriftsteller und Musiker interessiert er sich für verschiedene Kultursparten. Seit zwei Jahren schreibt er als freier Journalist in den Bereichen Naturwissenschaften und Kultur.

Die Kritik

Lektorat: Stefan Schöbi.

Von Matthias Nawrat, 8.4.2010

Eine Rock-Oper in der Leere des Raums – das Theater Rigiblick war am Montagabend Schauplatz einer Katastrophe, die den Blick auf die grossen Fragen der Menschheit enthüllte: Was ist ein gutes Leben? Wie soll man mit der Vergänglichkeit umgehen? Welchen Sinn hat unser alltägliches Trachten überhaupt? In einem einstündigen Experiment verschmolzen Schauspieler und Sänger Daniel Rohr, die Pianistin Eriko Kagawa und das Galatea Quartet unter der musikalischen Leitung von Daniel Fueter zwei Werke der Literatur- und Musikgeschichte zu einem Bühnenstück: Die Kurzgeschichte „Kaleidoskop“ des Science-Fiction-Autors Ray Bradbury und das legendäre Album „The Dark Side of the Moon“ der britischen Gruppe Pink Floyd. Ist soviel Intensität in dieser kurzen Zeit möglich?

Ein Meteorit schlägt in ein Raumschiff ein und schneidet es wie ein „riesiger Dosenöffner“ auseinander. Die Besatzung wird in die Leere des Alls geschleudert und driftet in alle Richtungen davon. Nur über Funkgeräte können Hollis und die anderen Astronauten miteinander kommunizieren. Während sie dem sicheren Tod entgegen fallen, brechen alte Konflikte auf, Vorwürfe kommen hoch, Wut und Aggression nehmen von den Männern Besitz. Anfangs spricht Daniel Rohr, der nicht nur als Sänger sondern auch als Erzähler im Vordergrund der Inszenierung steht, die Dialoge beinahe parodistisch. Bald jedoch treten die Verzweiflung und die schiere Angst der Figuren in den Vordergrund. Hollis, der in dieser ausweglosen Lage sein eigenes Leben zu reflektieren beginnt, kommt zu dem Schluss: „Es ist grad so, als wäre das alles nie geschehen.“ Welchen Sinn kann sein Leben gehabt haben? War alles umsonst?

Der Tod als Sternschnuppe

Ihre Intensität gewann die Inszenierung nicht zuletzt durch die Kollage aus Musik und Bildern, die auf eine Leinwand hinter der Bühne projiziert wurden. Sternenhaufen, Meteoritenstürme oder explodierende Sonnen wechselten sich mit Szenen aus dem Leben eines Menschen ab – Kindheitsfotos, Bildern vom Universitätsabschluss oder Familienaufnahmen. Das Arrangement aus Klavier, Streichern und verschiedenen Percussion-Instrumenten konnte den Klang des Originalalbums, der sich bei Kennern ins Gehirn eingebrannt hat, zwar nicht exakt wiedergeben. Aber es schuf einen eigenen Klang. Und weil dieser mit weniger Wucht und irgendwie unvollendeter daherkam, enthüllten sich unerwartet feine Nuancen. Rohr sang die Stücke mit sicherer Stimme, nur selten etwas zu dünn im Vergleich zu der durch zahlreiche Soundeffekte perfektionierten Vorlage. Herzschlag, Uhrticken, kosmischer Krach sowie die Stille des Raums – das alles war verwoben zu einem „Kaleidoskop“ aus Sound und Bild, aus Sprache und Gefühl.

Am Ende dringt Hollis in die Atmosphäre der Erde ein und verglüht. Sein scheinbar sinnloses Leben bekommt unerwarteter Weise doch noch einen Sinn in diesem sternschnuppenartigen Tod. Auch wenn das Ende des Stücks musikalisch etwas abrupt abgewickelt wurde – der Zuschauer ging in die Nacht hinaus und hatte ein ganz eigenartiges Gefühl beim Blick in den unendlichen Himmel über Zürich, der vollkommen sternenklar war.

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