Kunst und ihre Theorie, grenzüberschreitend

Die Veranstaltung

Was: Podium: Kritik zwischen den Disziplinen: Live Inszenierung und mediale Dokumente
Wo: Theater der Künste, Bühne A
Wann: 09.12.2010
Bereiche: Bildende Kunst, Performance

Der Autor

Lukas Meyer: Jahrgang 1983, studierte Philosophie, Geschichte und Literatur und arbeitet als freier Journalist und Texter in Zürich.

Die Kritik

Lektorat: Stefan Schöbi.

Von Lukas Meyer, 11.12.2010

Nach eineinhalb Stunden platzte dem sichtlich gereizten Michael Eidenbenz, Leiter des Departements Musik der ZHdK, der Kragen: Jetzt habe man ein Kunstwerk, das ihn berührt und interessiert habe, völlig zerredet und den Kunstgenuss dadurch zerstört. Er war mit diesem Eindruck bestimmt nicht alleine. Dies als Fazit der Veranstaltung zu nehmen, wäre aber trotzdem weder fair noch angemessen, darum zurück an den Anfang.

Die Veranstaltungsreihe «Forum – das offene ZHdK-Gespräch» wird organisiert vom Transdisziplinären Atelier, das unter der Leitung von Prof. Corina Caduff direkt dem Rektor unterstellt ist. Dieses soll, gerade nach der Vereinigung der verschiedenen Kunsthochschulen unter einem Dach, das Gespräch zwischen den Disziplinen und Kunstformen fördern und organisieren. Die Veranstaltung «Kritik zwischen den Disziplinen: Live Inszenierung und mediale Dokumente» war ein herausragendes Beispiel für diese Arbeit, vereinte es doch eine grenzüberschreitende Kunstvorführung mit einer Diskussion von Vertretern verschiedener Disziplinen.

Performance vs. Videokunst

Zum Einstieg und als Grundlage für die Diskussion gab es eine doppelte Vorführung der Performance-Künstlerin Pascale Grau, welche zuerst die Live-Performance «Verkörperung» inszenierte und danach deren Übertragung in ein Kunstvideo zeigte. Eine Stimme aus dem Off las einen Text über die Grossmütter vor, welche von der Performerin mit langsamen Bewegungen und einigen Ausrufen begleitet wurde. Im Video sah man die gleiche Performance, aber mit Fokussierungen und Perspektivenwechseln. Im folgenden Austausch über die Wahrnehmung der zwei Kunstwerke stellte sich heraus, dass für die einen das Video berührender und interessanter war, weil man näher an die Künstlerin kommt, ihren Blickwinkel einnimmt; andere empfanden die körperliche Präsenz bei der Performance als stärkeren Eindruck, als sie bei der eher distanzierenden Videoaufzeichnung möglich ist.

In der Diskussion wurden verschiedene Spannungsfelder umrissen, wie Original/Interpretation, Produktion/Rezeption, Alltagshandlung/Kunsthandlung, Repräsentation/Verkörperung. Die Diskussion verzettelte sich ein wenig, auch die Moderatorin Elke Bippus konnte die Stränge nicht mehr zusammenführen. Ihre spezifischen Fragen an Michael Eidenbenz, den studierten Historiker und ZHdK-Rektor Thomas D. Meier und die Performance Art-Spezialistin Gebhardt Fink waren zwar interessant, aber insgesamt zu weit ausholend. Es war eine Mischung aus Erfahrungsaustausch – wie habe ich das Kunstwerk wahrgenommen – und gleichzeitig Reden auf einer Metaebene über diese Erfahrungen und das Kunstwerk.

Theorie ohne Weitblick

Die verschiedenen Kunstformen benutzen ein teils sehr unterschiedliches Vokabular und theoretisches Instrumentarium, um über ihre Werke zu reden und zu reflektieren. Mit Ausnahme von Pascale Grau, die rege an der Diskussion teilnahm, redeten nicht Praktiker, sondern Theoretiker. Einige diskutierten eher wie in einem Proseminar ihres eigenen Fachs und halfen so nicht, die Grenzen der Disziplinen, mit denen die Künstlerin locker spielte, zu überschreiten.

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