Wilde Reise über die Theaterbühne
Die Veranstaltung
Was: Ntando Cele
Wo: Rote Fabrik, Fabriktheater
Wann: 31.08.2010 bis 01.09.2010
Bereich: Performance
Der Autor
Gregor Schenker: Jahrgang 1984, studiert Germanistik sowie Filmwissenschaft in Zürich und schreibt seit langem leidenschaftlich Kritiken, unter anderem für «badmovies.de» oder «students.ch».
Die Kritik
Lektorat: Stefan Schöbi.
Von Gregor Schenker, 4.9.2010
Das Publikum war gespannt auf die südafrikanische Künstlerin Ntando Cele; die Performerin sollte im Rahmen des Zürcher Theater Spektakels in der Roten Fabrik auftreten und ihr Programm «Cypher Session» vorführen. Aber zunächst stauten sich die Besucher vor dem Eingang, denn in den Saal des Fabriktheaters wurden sie erst kurz vor dem Vorstellungsbeginn eingelassen. Während sie sich dann auf den Rängen einrichteten, sass Cele bereits auf der Bühne, unbewegt, mit dem Rücken zum Publikum, den Kopf unter einer Kapuze verborgen. Ebenso der Berner Raphael Urweider, der im Folgenden für die musikalische Begleitung verantwortlich sein sollte und vor einem Flügel mit Computeranschluss Platz genommen hatte.
Die beiden blieben zunächst weiterhin regungslos sitzen, als das eigentliche Programm losging, und liessen ihr Schweigen auf das Publikum wirken – es entstand eine Stille, die man fast schon mit Händen greifen konnte. Ein faszinierender Beginn; es hatte sich noch gar nichts getan und schon war man vom Stück gepackt.
Vom Schweigen zum Malen
Schliesslich brach Cele mit kehligem Gesang das Schweigen und es folgte eine immer wildere Mischung aus unterschiedlichsten Inhalten und Ausdrucksmitteln. Die Künstlerin kroch und tanzte, sie sang, lachte hysterisch, rezitierte oder erzählte Geschichten – da wird der Hintergrund der 1980 geborenen Cele spürbar, die sich nach einem Studium der Dramaturgie und des Kunstmanagements in den unterschiedlichsten Kunstrichtungen betätigte, als Schauspielerin, Schriftstellerin, Regisseurin, Slam Poet oder Choreografin.
Dabei wurde sie von Urweider begleitet, der schon voriges Jahr mit ihr zusammen aufgetreten war, als sie mit ihrem Programm «Disturbia» in der Roten Fabrik weilte. Er setzte seinen Flügel vielseitig ein, zupfte an den Saiten, haute in die Tasten und verstärkte die Töne über den Computer. Dieser Klangraum wurde ergänzt durch Aufnahmen von spielenden Kindern und öffentlichen Räumen, dem Geräusch von Wind oder durch Hip-Hop (auf den Cele auch mit dem Titel ihres Stückes Bezug nimmt).
Schliesslich gesellte sich den beiden Michael Günzburger hinzu – der in Zürich tätige Künstler hatte sich mit einem Pinsel bewaffnet und zeichnete die Gesichtszüge der weinenden Cele nach, die auf eine bühnenbreite Leinwand projiziert wurde. Während die Performerin im Vordergrund mit ihrem Programm fortfuhr, erweiterte Günzburger das Gemälde zu einem dichten Gewimmel aus Linien und Punkten. So prasselte eine Vielzahl an Eindrücken auf die Zuschauerinnen und Zuschauer ein.
Abwechslung in den Songlines
Ntando Cele sagt, ihr Vorbild für «Cypher Session» seien die Songlines der Aborigines gewesen, mythische Wegweiser, die in Gesängen festgehalten werden und als Orientierung für die Wanderungen der australischen Ureinwohner dienen. So wirkt auch Celes Performance wie eine Wanderung von Station zu Station, bei der in schneller Abfolge immer wieder neue Situationen umrissen und Fragen aufgeworfen werden. Bei einer derartigen Vielfalt sind den Interpretationsmöglichkeiten keine Grenzen gesetzt – allerdings macht sich teilweise auch der Eindruck einer gewissen Beliebigkeit breit und es ist manchmal durchaus anstrengend, einen Zugang zu den Geschehnissen auf der Bühne zu finden.
Eines ist aber klar: Bei so viel Abwechslung kommt zu keinem Zeitpunkt Langeweile auf. Und so erscheint einem die knappe Stunde, die «Cypher Session» dauert, am Schluss viel zu kurz.