Energie und Respektlosigkeit dem deutschen Mainstream gegenüber
Die Veranstaltung
Was: Maxim Biller
Wo: Literaturhaus Zürich
Wann: 11.03.2010
Bereich: Literatur
Die Autorin
Lorena Simmel: Jahrgang 1988, studiert an der Hochschule der Künste Bern im Studiengang Literarisches Schreiben.
Die Kritik
Lektorat: .
Diese Kritik wurde in Auftrag gegeben und bezahlt von: Zürcher Hochschule der Künste (siehe Unabhängigkeit).
Von Lorena Simmel, 14.3.2010
„Der letzte Essay von Biller ging nicht gegen die Ostdeutschen, sonder gegen alle Deutschen.“ So fing das Gespräch zwischen Maxim Biller und Mikael Krogerus am Donnerstagabend im Literaturhaus an. Und es würde noch besser werden. Das Publikum wurde zuerst gebeten, mit Handzeichen anzugeben, ob man „Der gebrauchte Jude“ gelesen hatte und dann, römischen Kaisern gleich, ob es berechtigterweise veröffentlicht worden war, oder ob es in Billers Schublade hätte vergammeln sollen. Dann las Biller lange, eine gute halbe Stunde – und er las gut: Gute Stimme, gute Blicke ins Publikum und gute Pausen an richtigen Stellen.
Nicht nur die Juden
Billers Eltern hätten das Buch zuerst „scheisse“ gefunden, hätten sich drei Wochen nicht gemeldet, doch jetzt, aus welchem Grund auch immer, fänden sie es sein bisher bestes Buch. Andere Personen, die direkt mit Namen im Buch erwähnt sind, hätten sich nicht gemeldet. Das Buch tue so, als sei es Realität, aber Biller gehe es darum, literarisch so über Dinge zu schreiben, wie sie hätten sein können. Sein bester Freund heisse denn auch nicht Donny Gold, sondern Jossi Reich und hätte nicht gewollt, dass sein Name im Buch erscheint. Biller habe es sowieso satt, auf solche Fragen zu antworten, das Buch sei einfach seine Art, mit Themen klarzukommen. Auch meine er im Buch (und wohl auch im Allgemeinen) nicht nur Juden, sondern alle Leute, die von irgendwo weggehen und irgendwo ankommen, die sich einer Masse oder Klasse unterordnen müssen, die feinfühlig sind.
Drei Eier
In einem Theater in Berlin haben türkische und kurdische Schauspieler Maxim Billers Buch einmal komplett durchgelesen. Die meisten von ihnen hätten kaum Deutsch gekonnt und ein sehr kleines Selbstvertrauen gehabt, was nicht zuletzt von Deutschland selbst komme, meinte Biller, der mit zehn von Prag nach Deutschland gekommen war und erst fünf Jahre später sein erstes Buch (Karl May) auf Deutsch gelesen hatte. Darauf wollte Krogerus wissen, woher Biller denn sein grosses Selbstvertrauen habe. „Ich habe drei Eier“, antwortete Biller. Dafür könne er nichts, jeder komme mit einem ausgeprägten Charakterzug auf die Welt.
Was er von der Schweiz halte, fragte Krogerus zum Schluss und Biller erzählte, dass er im Hotel den ersten Satz von „Stiller“ gelesen und gekotzt habe – und, dass die Schweizer scheinbar etwas gegen Deutsche hätten.