Das Glück ist eine Plastikblume

Die Veranstaltung

Was: Machen Frauen wirklich glücklich?
Wo: Im Hochhaus (Migros-Hochhaus Limmatplatz)
Wann: 08.10.2010 bis 09.10.2010
Bereich: Theater

Die Autorin

Elena Ibello: 1982 geboren, seit 2003 freie Journalistin. Im Master-Studium Art Education, publizieren&vermitteln, an der ZHdK.

Die Kritik

Lektorat: Fabienne Schmuki.

Von Elena Ibello, 12.10.2010

«Jeder ist sein eigenes Klischee.» Thomas Reis wagt sich in seinem Soloprogramm «Machen Frauen wirklich glücklich?» an eine Thematik, an der ein Kabarettist eigentlich scheitern muss. Ausser, er stellt obigen Sachverhalt von Beginn an klar und beantwortet die im Programmtitel gestellte Frage stracks im zweiten Satz des Programms. «Wer hier glaubt, Sinn zu finden, ist falsch. Der ist grundsätzlich immer falsch», sagt Reis und beginnt dann damit, die Klischees mal zu zementieren und mal zu kritisieren und zu hinterfragen. Oft flüchtet er sich gleich ganz in andere, politische oder gesellschaftliche Themen.

Den Paradigmenwechsel verpasst

Bleibt er aber beim Thema, so verwendet er die Begriffe «Frau» und «Freiheit» meist als Antonyme und konstatiert: «Die Macht ist weiblich.» Das ist aber nicht weiter schlimm, denn „Männer sind mit Freizeit und Freiheit überfordert». Ganz im Gegensatz zu den Frauen wüssten die Männer eh nichts mit sich anzufangen – ausser Finanzkrisen auszulösen. Diese ist eine rein männliche Sache, meint Reis. Frauen wäre so etwas nie passiert. Überhaupt scheint er von der Frau grundsätzlich begeistert – wenn nicht gar eingeschüchtert. Das weibliche Gedächtnis bezeichnet er als brillant (aber selektiv) und er meint, die Frau sei die Gans, die den Fuchs steche.

Immer wieder betont er auch, dass das Thema «Frau und Rolle» eigentlich gar keines mehr sei und dass die Tatsache, beim Wort «Waschbrett» würden die Frauen heute an einen Bauch denken, zeige, dass da ein Paradigmenwechsel stattgefunden habe. Schade nur, dass er selber diesem nur in seltenen Momenten gerecht wird und stattdessen meist altbekannte Rollen-Spiele verwertet.

Viele Rollen, wenig Übergänge

Dass Reis das Publikum aber trotz viel Altbekanntem bei der Stange halten kann, spricht einerseits für die Intelligenz und den Wortwitz, mit denen Reis sogar die abgedroschensten Themen garniert und präsentiert. Andererseits aber auch für die starke Bühnenpräsenz. Er nimmt den Raum ein und er weiss mit seiner Stimme sehr viel anzustellen. Das Bühnenprogramm wird von mindestens fünf Figuren bestritten, zwischen denen er mühelos wechselt, indem er Stimmlage und Körperhaltung kaum merklich ändert. Die Übergänge sind unsichtbar, aber die Rollen sind sehr deutlich. Und dabei vielfältig. Wechselnd zwischen Geschlechtern und Geschlechtslosen, zwischen Klischees und Fantasiefiguren. Langweilig wird das Programm darum nicht, nur gegen Ende etwas langatmig.

Als das Ende dann kommt, finden die Figuren zwar ein Happyend, eine Auflösung des Themas erwartet man aber vergebens – wie Reis das Publikum fairerweise vorgewarnt hat, findet man die Antwort auf die Frage, ob Frauen glücklich machten, nicht. Aber ewiges Glück, so Reis, sei sowieso nur eine Schutzbehauptung, eine Plastikblume. Und so verlässt er die Bühne mit den Worten «Sind Fragen nicht die Poesie des Denkens?»

Alles gut und schön. Nur schade, dass die Leitfrage nicht einfach unbeantwortet, sondern eigentlich unbehandelt bleibt. Neue Aspekte sind keine auszumachen und anstatt mit solchen die Lücken zwischen dem Altbekannten zu füllen, füllt Reis die Lücken mit Abschweifern, die tatsächlich nur noch wie Füller wirken. Da Reis insgesamt ein intelligentes Niveau halten kann, kann von Scheitern aber keine Rede sein. Trotz der Thematik.

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